Elf Chorvereine setzen eine lange Tradition fort

Spandau. Spandau - eine Sängerhochburg, so titelte die Deutsche Sängerzeitung "Die Tonkunst" Nr. 10 vom 1. April 1908. Weiter war zu lesen, dass Spandau ein sangesfrohes Städtchen sei, birgt es doch bei seinen 18.000 Einwohnern nicht weniger als 24 Gesangvereine.

Schlecht recherchiert: Es waren rund 76.000 Einwohner mit 40 zumeist Männergesangvereinen, von den vielen Kantoreien abgesehen. Aber die Hauptaussage stimmte. Spandau, eine Sängerhochburg. Und heute?

Der Spandauer Chorgesang hat im Laufe seiner Geschichte erhebliche Einbußen erfahren. Schon der Erste Weltkrieg führte wegen der vielen Gefallenen zur Vereinigung einiger Chöre. Dennoch verfügte Spandau im Jahre 1933 wieder über 34 Gesangvereine, und der Zulauf war groß. Doch als Hitler an die Macht kam, sanken die Sängerzahlen drastisch. Den Nazis unliebsame Sänger verschwanden, statt deutscher Volkslieder musste "nationalsozialistisches" Liedgut gesungen werden. Die Vorsitzenden wurden zu Vereinsführern und mussten der NSDAP angehören, die zwangsweise Mitgliedschaft in Untergliederungen der NSDAP führte zu einem weiteren Abfluss von Sängern. Den dritten Einbruch erlebten die Spandauer Gesangvereine durch den Zweiten Weltkrieg. Viele Sänger wurden "zu den Waffen" gerufen und ließen im "Feld" ihr Leben. Mit dem Mauerbau wurden die im sowjetischen Machtbereich wohnenden Sänger von ihren Spandauer Chören abgeschnitten. Und schließlich kam das Fernsehen mit seinen Verlockungen.

Das ist kein Spandauer Phänomen, Spandau gilt beim Berliner Chorverband trotz seiner auf elf geschrumpften Mitgliedsvereine (ohne Kirchenchöre) noch immer als besonderer Sängerkreis. Während die Sängerkreise der anderen Stadtbezirke sich auflösten mussten oder zusammengelegt wurden, veranstaltet Spandau jährlich seine Liedertage, auch mit Gastchören aus der Umgebung, und das regelmäßig seit 1946. Dem Kunstamt Spandau, das als Veranstalter auftritt, ist die Bereitstellung von Räumen und die nötige Finanzierung zu danken. Beim Spandauer Liedertag 2014 war der Festsaal des Johannesstiftes mit Besuchern überfüllt. Die Chöre erhielten dankbaren Beifall.

Natürlich ist die Qualität der Laienchöre unterschiedlich. Während die Chorvereinigung Spandau jährlich von der Konzertdirektion Hohenfels für mindestens zwei Konzerte in der Berliner Philharmonie engagiert wird, ringen andere Chöre um ihren Fortbestand. Im Frühjahr 2014 musste der altehrwürdige Männergesangverein "Eintracht Cladow 1919" aufgeben. Der einzig verbliebene Männergesangverein Spandaus, der 1866 als Männergesangverein "Grüne Schleife" gegründete "Männer Chor Spandau" kämpft um sein Überleben, um im Jahre 2016 noch sein 150. Vereinsjubiläum feiern zu können. Männer sind offenbar nicht so sangesfreudig wie ihre besseren Hälften. Sie fehlen auch den gemischten Chören. Heute laufen die Sportvereine den Sängern diesen Rang ab, vom gemütlichen Abend vor dem Fernseher ganz zu schweigen.

Also seien wir dankbar, dass die Bezirkspolitik weiterhin bereit ist, die Spandauer Liedertage zu organisieren und den Ruf Spandaus als Sängerhochburg zu fördern. Wünschenswert wäre eine breitere Wahrnehmung der Chor-Aktivitäten durch die Berliner Presse und engagierte Musiklehrer an den Schulen.

Horst Steindorf / Horst Steindorf
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Lokalredaktion aus Mitte

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