Ausstellung "AnDenken" zeigt Familienfundstücke
Geschichte kann auch anhand von BVG-Monatskarten erzählt werden

Frank Schadek und seine Tochter Vivien Seltmann neben der Speisekarte für den Filmball 1970.  | Foto:  Thomas Frey
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  • Frank Schadek und seine Tochter Vivien Seltmann neben der Speisekarte für den Filmball 1970.
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Die Geschichte zu dieser Ausstellung beginnt 2023 mit einer E-Mail von Vivien Seltmann an das Stadtgeschichtliche Museum. Ihr Vater Frank Schadek sei ein leidenschaftlicher Sammler von Familienerinnerungen, schrieb die Absenderin. Ob es die Möglichkeit gebe, sie einmal öffentlich zu zeigen?

Nicht einmal zwei Jahre später fand am 16. Januar die Eröffnung der Schau statt. Denn für Museumsleiterin Urte Evert war das Schreiben ein „wunderbares Angebot“. Bis zum 27. April spiegelt das Gotische Haus große historische Ereignisse und das Alltagsleben in der Schau „AnDenken - Das Hakenfelder Minimuseum für deutsche Geschichte“ anhand von Dokumenten, Fotos und Objekten. Sie umfassen einen Zeitraum von fast 200 Jahren.

Die Gesamtzahl der Exponate liegt in dreistelliger Höhe. Zu fast allen gibt es Erklärungen über Zeit, Ort, Hintergrund und welchem Familienmitglied sie zugeordnet werden. Mini steht deshalb für Miniatur. Das Große im Kleinen. Wie haben sich historische Ereignisse auf die Menschen ausgewirkt? Was sagen die Fundstücke über die jeweilige Epoche aus? Wie haben sich manche Alltagsgegenstände verändert?

Er sammle seit seiner Kindheit, erzählt Frank Schadek. Begonnen habe es mit einem Fünf-Mark-Stück. Ein Geschenk seiner Großmutter. Es stammte aus der Nazizeit, worauf das Hakenkreuz auf der Münze hinwies. Fast alles, was sein Minimuseum beinhaltet, stammt von Angehörigen, beziehungsweise deren Vorfahren. Sie kommen aus seiner Familie und der seine Frau Katja. Die ist eine Tochter des ehemaligen Spandauer Gesundheitsstadtrats Dieter Lietz. Ebenfalls einiges beigesteuert hat sein Schwiegersohn, der Mann von Vivien Seltmann. Einige wenige Bestandteile habe er dazugekauft. Zum Beispiel ein Care-Paket. Denn das sei ein wichtiges Relikt für die Nachkriegsgeschichte.

Sein ältestes Exponat ist eine Medaille anlässlich der Thronbesteigung des Königs Anton I. von Sachsen aus dem Jahr 1827. Dass es sich im Familienbesitz befand, steht hier für eine fast typische Berliner Familiengeschichte. Die Ahnenreihe besteht aus zahlreichen Einwanderern, die aus verschiedenen Gegenden in die Stadt gekommen sind. Ihr Geburtsort lag im heutigen Polen oder Tschechien. Tief im Westen, in Rheinland-Pfalz oder in Sachsen. Irgendwann sind viele in Spandau gelandet.

Eines der Lieblingsobjekte von Frank Schadek ist eine künstlerisch gestaltete Speisekarte vom Berliner Filmball 1970. „Ich finde, sie sagt viel über diese Zeit aus“. Die Hedonismus- und Aufbruchstimmung jener Jahre wird schon an der Gestaltung deutlich. Vermerkt sind aber auch sehr bodenständige Gerichte. Eine Knacker mit Sauerkraut kostete 4,90 D-Mark.

Davor und danach erzählen seine Relikte von heiterem, traurigem und skurrilem. Ein Reifezeugnis aus der Kaiserzeit. Oder ein Zylinder samt Armbinde und Trauerflor. Hinweise auf Wohnungsnot, schon vor 100 Jahren ein Problem. Ein Sammelbildband „Deutschland erwacht“ von 1935 mit Sportbildern zum Einkleben, die durch den Kauf von Zigaretten erhältlich waren. Die Nachricht vom Tod eines Soldaten im Jahr 1941. Die bürokratischen Hürden bei der Einreise eines Erbstücks, einer Standuhr, von Ost- nach West-Berlin in der Zeit der Teilung. Gebrauchsgegenstände wie ein Reisebügeleisen aus den 1970er-Jahren. Das und noch vieles mehr wurde über Jahrzehnte angehäuft, in Kisten und auch in einem IKEA-Regal deponiert, wie sich Vivien Seltmann erinnert. Wer sich in die Ausstellung hineinbegibt, braucht einige Zeit, um wieder herauszufinden.

In einem zweiten Bereich werden gleiche Gebrauchsgegenstände aus verschiedenen Epochen nebeneinander gezeigt. Teddybären, weiteres Spielzeug, Kinderschuhe und sogar Monatskarten der BVG aus den Jahren 1954, 1984 und 2016 sind zu sehen. Sie alle transportieren Zeitgeschichte, in Form, Design, Fertigung und Preis. Das alles macht diese Schau so faszinierend. Auch simple Dinge, die sich in fast jedem Haushalt finden, stehen für die Gegenwart oder die Vergangenheit.

Frank Schadeks Sammlung soll deshalb auch der Ausgangspunkt zum Erforschen weiterer Familiengeschichten sein.

Die Ausstellung sollte zum 60. Geburtstag ihres Vaters stattfinden, hatte sich Vivien Seltmann gewünscht. Auch diesen Wunsch erfüllte man ihr. Der runde Geburtstag von Frank Schadek ist im März.

Die Ausstellung „AnDenken“ im Gotischen Haus, Breite Straße 32 läuft bis 27. April, Öffnungszeiten: Di bis Sa 10 bis 18, So 12 bis 18 und ab April auch montags von 10 bis 18 Uhr. Am 11. März sowie am 8. April soll es zum Thema Familiengeschichte Workshops geben. Interessierte können sich unter ¿354 94 44 45 oder per E-Mail an christina.buech@zitadelle-berlin.de anmelden.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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