Über Karriere von Joseph Schmidt
Jüdisches Theaterschiff MS Goldberg startet als Spielort mit der Performance "Der Sänger"
Die Eröffnung geriet zum gesellschaftlichen Ereignis. Als das Jüdische Theaterschiff MS Goldberg am 23. Mai zur ersten Aufführung einlud, war zahlreiche Prominenz mit an Bord. Auch die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD).
Gefeiert wurde der Start einer besonderen Kulturinitiative. In den Tagen davor hatte es aber einigen Wirbel um noch nicht vorhandene Genehmigungen gegeben. Es sei eine "vorläufige und pragmatische Lösung" erzielt worden, teilte das Bezirksamt schließlich mit, die dem Veranstalter, dem Verein Discover Jewish Europe, ermögliche, die notwenigen Unterlagen bis Ende Mai beizubringen. Laut Intendant Peter Sauerbaum liege inzwischen eine Genehmigung bis 31. Juli vor. Danach wäre das Schiff auf Tournee und komme danach wieder in den Spandauer Heimathafen zurück.
Unabhängig von diesem Wirbel begrüßte auch der Bezirk dieses "spannende Kulturprojekt". Es erhielt bereits vor seinem Stapellauf viel Rückenwind, wie Peter Sauerbaum in seiner Eröffnungsrede betonte. Unter anderem gab es eine Million Euro als Zuschuss für den Umbau des Schiffs von der Lotto-Stiftung Berlin und politische Unterstützung durch Raed Saleh, den Landes- und Fraktionsvorsitzenden der SPD, und den SPD-Bundestagsabgeordneten Helmut Kleebank (SPD), der als Spandauer Bürgermeister mit den Anfängen des Projekts befasst war. Dass das Projekt auch auf Bundesebene auf Interesse stößt, zeigte die Teilnahme des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein.
Der 1964 gebaute Kahn war bis zum vergangenen Jahr noch für den Gütertransport zu Wasser im Einsatz. Sand oder Kies wurden in seinem Bauch von Magdeburg nach Berlin gebracht. Dort befindet sich jetzt der Saal mit knapp 200 Plätzen.
Auf dem Spielplan der MS Goldberg stehen Theateraufführungen, Konzerte, Diskussionsrunden oder Workshops unter dem Oberbegriff Jüdisches Leben in Geschichte und Gegenwart. Damit solle ein Beitrag gegen wachsenden Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geleistet werden, erklärte der Intendant.
Die erste Vorstellung zeigte, wie der Anspruch künstlerisch umgesetzt werden soll. Als Uraufführung wurde das Werk "Der Sänger", eine szenisch-musikalische Performance des Regisseurs Armin Petras nach dem Roman von Lukas Hartmann gezeigt. Sie behandelt vor allem die letzten Wochen im Leben des einst weltberühmten Tenors Joseph Schmidt. Als Jude von den Nazis zur Emigration gezwungen, gelingt dem 1904 geborenen Joseph Schmidt im Herbst 1942 der Grenzübertritt von Frankreich in die Schweiz. Obwohl krank und ausgezehrt kommt er in ein Internierungslager, wo er am 16. November 1942 stirbt.
Das von einer Schauspielerin und drei Schauspielern in wechselnden Rollen präsentierte Stück ist eine Annäherung an das tragische Schicksal eines großen Künstlers. Es wurde auch von Avi Schmidt verfolgt, einem Großcousin des Sängers, der aus Israel angereist war.
Stationen der Karriere von Joseph Schmidt werden angespielt, es gibt skurrile Szenen, etwa als der Einwanderer auf einen Schweizer Grenzbeamten trifft, der ihm von den Schönheiten des Eidgenössischen Landes vorschwärmt, in dem aber leider nicht für alle Platz sei.
Flucht, Vertreibung und Migration als Themen klingen hier an. Nicht nur deshalb geht "Der Sänger" über die Biografie eines großen Künstlers hinaus. Der letzte aktuelle Bezug war wahrscheinlich noch gar nicht deutlich, als das Werk einstudiert wurde. Joseph Schmidt stammt aus der Nähe der Stadt Czernowitz. Sie war einst ein Zentrum des Ostjudentums. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörten rund ein Drittel der Bewohner zur jüdischen Bevölkerungsgruppe. Der größte Teil von ihnen wurde im Holocaust ermordet, andere nach Sibirien deportiert.
Als Joseph Schmidt geboren wurde, gehörte Czernowitz zum österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaat. Nach dem Ersten Weltkrieg kam die Stadt zu Rumänien. Im Zuge des Hitler-Stalin-Pakts von 1939 wurde sie ein Jahr später der Sowjetunion zugeschlagen. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 war das Gebiet drei Jahre erneut rumänisch, ab 1944 wieder sowjetisch. Es wurde Teil der ukrainischen Sowjetrepublik und gehörte somit zum 1991 konstituierten Staat Ukraine.
Czernowitz ist bisher vom Kriegsgeschehen weitgehend verschont geblieben. Aber seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine hat die Stadt rund 100 000 Binnenflüchtlinge aufgenommen.
Das Jüdische Theaterschiff MS Goldberg ist über die Dischingerbrücke oder den Zugang von der Sedanstraße zu erreichen. Das Programm und weitere Informationen finden sich unter www.goldberg-theaterschiff.de.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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