100 Jahre Geschichte in einem Stück
Magma-Theater zeigt Kneipen-Alltag und große Politik
Mehr als 100 Jahre Geschichte sind Thema der neuesten Magma-Produktion „Alles wird anders, alles wird gut“ im Kulturhaus Spandau.
Der Autor von „Alles wird anders, alles wird gut“, Lutz Hübner, hat einmal gesagt, Theater müsse „wie Boxen“ sein, müsse auch mal wehtun. Das erreicht die neue Magma-Produktion in der Regie von Jörg Sobeck und Clara Zehrbach. Sie zeigt wie an einem Ort, an dem sich viele Menschen wohlfühlen, Schlimmes passieren kann.
Das Stück widmet sich 100 Jahren deutscher Geschichte an einem einzigen Ort, einer Kneipe. Dort wird zuerst der Silvesterabend 1899 gefeiert, gut eineinhalb Stunden später wird die Jahrtausendwende am Ende des Jahres 1999 begangen. Das Personal ist bei allen Veränderungen auch immer irgendwie dasgleiche: Die couragierte Wirtin, der in unerfüllter Liebe zu einer jungen Dame lebende ältere Herr, ein Paar auf der Suche nach bürgerlicher Sicherheit, mehrere Singlegäste von Soldat über SA-Mann und GI und ein Mann, der als Jude auch mal Hassobjekt einiger anderer Gäste wird.
Unerwünschte Kommunistin, teuflischer Geschäftsmann
Die Gemütlichkeit des Lokals, in dem man feiert, zeigt auch immer wieder Risse. Die Wirtin will ihre bei den Kommunisten aktive Schwester nicht im Lokal sehen, später hofft sie auf günstigen Erwerb von Immobilien, deren jüdische Besitzer zuvor verjagt wurden. Zuvor hatte ein offenbar mit dubiosen Transaktionen zu Reichtum gekommener Geschäftsmann die Gier aller Anwesenden ausgestellt, selbst der preußische Offizier ließ sich für ein Tänzchen mit einem Mann kaufen.
Lutz Hübner zeigt Menschen in ihrem Alltag mit ihren Schwächen und für andere auch mal lächerlichen Eigenschaften, und er zeigt auch wie schleichend Katastrophen beginnen, obwohl es eigentlich genügend Anstandsreserven in jedem Menschen gibt. Der preußische Offizier lässt durchblicken, wie widerlich ihm der Nationalsozialismus ist, die Ausgrenzung anderer Menschen funktioniert in einer Kneipe, die vom gemeinsamen Feiern lebt, immer nur bedingt. Und trotzdem rollen die großen Katastrophen auch über diese Kneipe hinweg.
Dem Magma-Theater ist ein liebenswerter Blick auf einen oft komischen Alltag gelungen, der manchmal bitterböse werden kann. Und es geht ja weiter – das von vielen befürchtete Weltende zur Jahrtausendwende kam nicht. „Alles wird anders, alles wird gut“ wird wieder gespielt am 23. und 24. November jeweils um 20 Uhr im Kulturhaus Spandau, Mauerstraße 6. Karten kosten zwölf, ermäßigt zehn Euro. Vorbestellung unter 333 40 22.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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