Renaissance unter der Disco-Kugel: Zwei Kladower beleben das legendäre Ballhaus wieder
Im stillen Tiefwerder liegt an der Dorfstraße 5 das legendäre Ballhaus Spandau. Härter und rockiger soll es sonst nirgends abgegangen sein.
Von draußen sieht man dem Kultladen das Rockige nicht an. Weinrote Fassade, schlichter Schriftzug über der Tür. Drinnen aber schreit der Style nach R'n'Roll. Tintiges Schwarz sorgt selbst bei Tageslicht für schummriges Halbdunkel. Plakate von Rockstars hängen an den Wänden. Fischer-Z, 8. Februar 1988, Metropol. Frank Zappa, 19. Oktober 1989, Deutschlandhalle. Billy Joel, 1990, Waldbühne. Rolling Stones in Weißensee.
Wie das Dekor spiegelt auch das Inventar die verschiedenen Epochen wider. Die Bars, die DJ-Kanzel oder die Disco-Kugel, die im Tanzsaal von der acht Meter hohen Decke hängt. Der große Saal ist auch etwas, das man dem Ballhaus von außen nicht zugetraut hat.
Vorn im Raucherraum sitzen Rainer und Andrea Fedke an der Bar. Den Kladowern gehört das Ballhaus heute. Mitte 2014 haben sie es vom Vermieter übernommen. Davor war das Ballhaus über ein Jahr lang geschlossen. Rainer und Andrea Fedke kennen die Brüche und Zeitenwechsel, die das Ballhaus erlebt hat. „Es ist Europas älteste Rock-Disco“, sagt Rainer Fedke. Jedenfalls wurde der Klub immer so beworben. Begonnen als Tanzlokal in den 1920er Jahren, Tagungsort der NSDAP, nach dem Krieg Gemeindezentrum, danach wieder Tanzlokal. In den 1970er Jahren wird die Musik im Ballhaus dann härter, „dreckiger“. Punk und R'n'Roll, später Neue Deutsche Welle – aber nie Mainstream. Hier pumpte das Herz Beats statt Blut durch die Adern der Stammgäste. Auch für viele Bands war das Ballhaus ein Muss. Die DDR-Band City zum Beispiel hatte hier noch weit vor der Wende ihren ersten Auftritt auf westdeutschem Boden. Und im Ballhaus lernten sich der Spandauer Dirk Felsenheimer und Jan Vetter aus Frohnau kennen. Als Bela B und Farin Urlaub gründeten sie später die Punkband „Die Ärzte“.
Auch Rainer und Andrea Fedke sind sich im Ballhaus das erste Mal begegnet. Das war vor 35 Jahren. „Als ich gehen wollte, fragte Rainer mich, ob ich morgen wiederkomme“, erinnert sich Andrea Fedke. Natürlich kam sie wieder. Rainer Fedke legte später im Ballhaus „Classic Rock“ als DJ auf, acht Jahre lang, bis der Klub Anfang 2013 schloss.
Heute ist der 61-Jährige der Chef, managt mit seiner Frau (55) den Laden. Sohn Dennis, 31 Jahre alt, plant die Events und Partys. „Irgendwie sind wir da reingerutscht“, sagt Rainer Fedke. Eigentlich wollte er in Spandau nur einen Raum für seinen monatlichen „Classic Rock“ mieten. Dann aber kam das Angebot vom Vermieter, doch das Ballhaus zu übernehmen. Die Fedkes überlegten und machten sich im Bezirksamt schlau, was da alles dranhängt. Behördliche Auflagen, Betriebserlaubnis, Klubkonzession, Schanklizenz. Es erwies sich als machbar. „Dem Bezirksamt lag viel daran, das unter Bestandsschutz stehende Ballhaus wieder zu beleben“, so die Fedkes, „und stand uns mit Rat und Tat zur Seite.“ Schließlich war das Ballhaus weit über Spandau hinaus bekannt.
"Rock läuft nicht mehr so gut"
Also unternahm das Ehepaar die nötigen Klimmzüge. Es renovierte, modernisierte aber nicht, brachte die Licht- und Bühnentechnik auf den neuesten Stand und die Tresen nebst Ausschank auf Vordermann. „Im Ergebnis hat sich kaum etwas verändert“, sagt Rainer Fedke. Knapp zwei Monate später war es dann soweit. Am 5. September 2014 startete das Ballhaus mit der legendären „Classic Rock Night“ durch. Der Laden war brechend voll. Das nächste und übernächste Mal auch, dann wurde es leerer. „Rock läuft nicht mehr so gut“, sagt Rainer Fedke. „Im Sage Club in Mitte vielleicht, aber nicht in Spandau.“ Folglich änderten sie das feste Programm. Die „Classic Rock Night“ einmal im Monat ist geblieben. Dazu kamen Back on Black, die 1980er, 90er und 2000er Partys und die Partyreihe We Love Oldschool mit der Jam FM DJ Crew. „Die meisten Partygäste sind Spandauer, aber es kommen auch immer mehr aus anderen Bezirken und dem Umland“, sagt Dennis. Selbst zur Schlagerparty, zu Halloween oder zum Tanz in den Mai ist das Ballhaus knackevoll.
„Wir sind ein Eventklub, der jeden Freitag und Samstag etwas anderes bietet“, sagt Rainer Fedke. Das macht das Ballhaus auch heute für viele Bands interessant. Für „Heldmaschine“ zum Beispiel. Oder die AC/DC Tribute Band „BON“, die am 9. Mai wieder im Ballhaus spielt. DJ Evil Jared hat hier erst kürzlich aufgelegt, und Sänger Adil Tawil sang als Gast auf der Oldschool-Party einen Song. Kurzum, im stillen Tiefwerder pulsiert das Nachtleben bis in die Morgenstunden.
Weitere Informationen gibt es unter www.ballhaus-spandau.club. Andrea und Jürgen Fedke sind sich im Ballhaus das erste Mal begegnet.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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