Sich an kleinen Dingen erfreuen: Das Volksblatt weckte meine Sammelleidenschaft

Vor allem Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre zierte der "Wetterbär" das Spandauer Volksblatt. | Foto: Repro Christian Hahn
2Bilder
  • Vor allem Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre zierte der "Wetterbär" das Spandauer Volksblatt.
  • Foto: Repro Christian Hahn
  • hochgeladen von Alexander Schultze

Meine Geschichte ist nicht sehr spektakulär, aber sie verschaffte mir damals – so zwischen 1947 bis 1951 – viel Freude.

Mein Vater war bis 1953 arbeitslos und wie zu der Zeit üblich, konnte sich kaum einer etwas über den normalen Lebensunterhalt hinaus leisten. Doch auf eins wollte mein Vater unter keinen Umständen verzichten, nämlich auf sein Spandauer Volksblatt. Wir besaßen zwar ein altes Radio aus der Vorkriegszeit, aber das funktionierte nicht und stand nur als Schaustück auf einem leeren Plattenschrank. Beide sind wir geborene Spandauer und vermutlich war das auch der Grund, warum sich mein Vater für das regionale Geschehen in unserer „Stadt Spandau” besonders interessierte. Als Arbeitsloser begab er sich zur Redaktion des Spandauer Volksblattes, in die Neuendorfer Straße 101, und erhielt als Abonnent einen Nachlass von 1 DM pro Monat, aber nur, wenn er sich täglich die Zeitung von hier abholte.

Da wir zu dieser Zeit zwei Gärten besaßen, je einen in der Roonstraße und in Tiefwerder, die uns mit saisonalem Obst und Gemüse versorgten, wurde mir die Aufgabe übertragen, jeden Tag nach der Schule von der ehemaligen Beseler Kaserne (15. Grundschule am Askanierring) aus das Spandauer Volksblatt vom Verlag abzuholen. Ich war darüber nicht sehr glücklich, lieber wäre ich mit meinen anderen Klassenkameraden zusammen nach Hause gegangen. Aber mein Vater duldete keinen Widerspruch, und jeder musste, so gut er konnte, sich für die Familie einbringen.

In meiner Schultasche befand sich eine kleine Karte aus Pappe (ca. 6 x 10 cm groß) auf der oben Spandauer Volksblatt stand, darunter der jeweilige Monat und nochmals darunter auf drei Reihen verteilt die Zahlen von 1 bis 31. Somit zog ich jeden Tag – außer, ich glaube es war montags – einsam meinen Weg hin zum Hafenplatz. Direkt an der Straßenfront befand sich neben einer Durchfahrt zur Druckerei der Eingang zur Geschäftsstelle des Verlages, wo man u. a. auch Anzeigen aufgeben und, so wie ich, mir die tägliche Zeitung für meinen Vater abholen durfte. Bald kannte man mich. Ein Stapel Spandauer Volksblätter lag vorne links am ersten Schalter. Ich legte die Abholkarte auf den Tisch, die oder der Bedienstete strich mit einem Kopierstift den Tag durch und man reichte mir die Zeitung. Eine ziemlich langweilige Angelegenheit. Die Inhalte und die Überschriften der Zeitung interessierten mich damals kaum. Doch eins gefiel mir als junger Steppke wohl.

Das war auf der Titelseite, ganz unten rechts oder links, der „Wetterbär”. Zu jeder Wetterlage gab es einen bestimmten Bären, ergänzt entweder mit einer Sonne, Wind, Regen, Blitz und Hagel oder Schnee und mit den zu erwartenden Temperaturen. Diese Bärenbilder faszinierten mich. Von nun an war für mich der Weg hin zum Spandauer Volksblatt immer mit einer gewissen Spannung versehen. Nach Erhalt wendete ich sofort die Zeitung und schaute mir den „Wetterbären” an. Ich glaube, ich strahlte noch im Geschäftsraum, wenn ein neuer Bär das Spandauer Volksblatt schmückte.

Da bekanntermaßen in jedem Menschen ein Sammler steckt, entpuppte sich fortan in mir eine „Wetterbären-Bilder-Sammelleidenschaft”. Ich schnitt sie alle sauber aus und sortierte sie in einer alten Zigarrenkiste.

Mein Freund Wolfgang im Nebenhaus wurde neugierig und wir pflegten von nun an gemeinsam dieses Hobby. Da seine Familie kein Spandauer Volksblatt abonniert hatte, war er, um seine Bärensammlung zu erweitern auf das alte Spandauer Volksblatt einer Nachbarin angewiesen. Meine Kiste war bald mit den unterschiedlichsten Wetterbären rappelvoll. Da ich den Umfang seiner verschiedenen Bären kannte, schenkte ich ihm von Zeit zu Zeit noch ein fehlendes Exemplar. Dieses gemeinsame Hobby festigte damals auch unsere Freundschaft. Man sieht an diesem kleinen Beispiel, dass ein Hobby nicht immer teuer sein muss.

Liebe Volksblatt-Reaktion. Schauen Sie einfach mal in die ganz alten „Volksblätter” und sagen sie ehrlich, waren diese Wetterbären nicht interessant und abwechslungsreich?

Helmut Kersten

Alle Beiträge zum Thema "70 Jahre Spandauer Volksblatt" finden Sie hier.

Vor allem Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre zierte der "Wetterbär" das Spandauer Volksblatt. | Foto: Repro Christian Hahn
Egal ob Schauer oder örtlicher Nebel, das Wetterbärchen durfte in keiner Ausgabe – hier 1949 – fehlen. | Foto: Repro Christian Hahn
Autor:

Alexander Schultze aus Spandau

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Patienten fragen
Steine in der Gallenblase – was nun?

Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem. Etwa jede fünfte Person in Europa ist betroffen, und fast die Hälfte entwickelt im Laufe des Lebens Beschwerden. Diese äußern sich meist in Form von wiederkehrenden Schmerzen, insbesondere im rechten Oberbauch. In einigen Fällen können Gallensteine zu ernsthaften Komplikationen wie einer Entzündung der Gallenblase führen. Die bevorzugte Therapie bei Beschwerden ist die operative Entfernung der Gallenblase – in der Regel...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 272× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 908× gelesen
Gesundheit und Medizin
Das Dominikus Krankenhaus informiert zur Robotik-Chirurgie bei Hüft- und Knieschmerzen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Moderne Behandlung bei Hüft- und Knieschmerzen
Informationsabend Robotik-Chirurgie

Hüft- und Knieschmerzen beeinträchtigen die Lebensqualität und werden oft durch Verschleiß, Unfälle oder Fehlstellungen verursacht. Moderne Technologien wie die Robotik-Chirurgie bieten neue Möglichkeiten für eine präzisere und minimalinvasive Behandlung. Am 4. Januar laden wir Sie herzlich zu einem Informationsabend ein, bei dem Chefarzt Tariq Qodceiah, Leiter des Caritas Hüftzentrums, die Vorteile der Robotik-Chirurgie bei Hüft- und Knieschmerzen erläutert. Er erklärt, wie diese innovative...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 251× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.