Eine fotografische Zeitreise
Spandauer Orts- und Familiengeschichte in Bildern
UPDATE: Derzeit ist das Buch teilweise vergriffen. Dazu mehr am Ende des Textes.
Das Buch ist kein touristischer Führer. Sehenswürdigkeiten finden sich dort zwar auch, aber meist als Momentaufnahmen aus dem Alltag. Und die Zeitspanne der Bilder reicht, wenngleich mit Lücken, über 75 Jahre.
„Mein Spandau – eine fotografische Zeitreise durch die Havelstadt“ heißt der mit reichlich Text versehene Bildband von Christian Bedeschinski. Er dokumentiert Ereignisse, Veränderungen, Verschwundenes vom Ende der 1940er-Jahre bis heute. Das Material stammt weitgehend aus dem Familienarchiv.
Der Autor, Jahrgang 1960, hat als Jugendlicher mit dem Fotografieren begonnen und machte es später zu seinem Beruf. Aufträge erhielt er von verschiedenen Unternehmen wie unter anderem von der Bewag, später Vattenfall, der Deutschen Bahn oder dem Treuhänderischen Entwicklungsträger für die Wasserstadt Oberhavel. Aus dem daraus entstandenen Fundus stammen viele Aufnahmen.
Bilder aus weiter zurückliegenden Jahrzehnten stammen vor allem vom Großvater und dem Vater. Opa Alfred Bedeschinski (1899-1971) spazierte in den 60er-Jahren gerne mit Fotoapparat durch die Altstadt oder den Kolk. Vater Günter Bedeschinski (1929-2002) steuerte die ältesten Motive bei. Sie entstanden noch während der Zeit der Berlin-Blockade auf dem Flugplatz Gatow. Ebenso wie seine spätere Frau Brigitte (1925-1999) war er damals bei der britischen Royal Air Force beschäftigt. Bei einigen Bildern hat auch Brigitte Bedeschinski auf den Auslöser gedrückt, andere wurden von Freunden und Bekannten beigesteuert. Zu ihnen gehört auch Bernd Neddermeyer, in dessen Spandauer VBN Verlag der Bildband erschienen ist.
Zusammen ergibt sich daraus ein Streifzug durch 75 Jahre Spandauer Zeitgeschichte. Neben Alltagsszenen dominieren vor allem Industriebauten oder Verkehrswege, ob zu Wasser oder auf der Schiene. Gerade diese Bilder machen deutlich, was sich speziell seit der Wiedervereinigung in Spandau verändert hat. Längst verschwundene Großkomplexe sind hier noch einmal zu sehen, von den Tanklagern in Haselhorst bis zur ehemaligen Schultheiss Brauerei an der Neuendorfer Straße.
Manche Bilder frischen die Erinnerung wieder auf. Stimmt, der Spandauer Hauptbahnhof befand sich früher am Stresow. Die heutige Fernbahnstation vis a vis vom Rathaus hieß einst Spandau West und war in Zeiten der geteilten Stadt vor allem dem Güterverkehr und der britischen Schutzmacht vorbehalten. Als 1980 die S-Bahn eingestellt wurde, landete er endgültig auf dem Abstellgleis. Nicht nur im Zusammenhang mit dem Bahnverkehr gibt es auch einige Mauerfotos oder von der Szenerie am einstigen Grenzübergang in Staaken.
Zu einschneidenden Veränderungen in der Altstadt führte der Bau der U-Bahn Anfang der 80er-Jahre. Zahlreiche Gebäude an der Carl-Schurz- oder Havelstraße wurden abgerissen und später durch Neubauten ersetzt. Andere Bilder zeigen BVG-Busse, die durch die heutige Fußgängerzone fahren. Auch das Ende des Straßenbahnbetriebs in Spandau und damit gleichzeitig in West-Berlin wurde 1967 fotografisch dokumentiert.
Daneben zeigt der Bildband private Aufnahmen: Ausflüge in den Spandauer Forst oder das Royal Air Force-Personal in Gatow. Sie lassen Erinnerungen an längst Vergessenes wieder aufleben. Wer erinnert sich beispielsweise noch an Schloss Brüningslinden an der Sakrower Landstraße in Kladow. Es wurde vor 50 Jahren abgerissen.
Christian Bedeschinski hat seine umfangreiche Bildauswahl nicht nur mit häufig ausführlichen Bilderklärungen, sondern auch mit längeren Einstiegskapiteln angereichert. Manches doppelt sich dabei, außerdem stellt der Autor immer wieder sein Wirken im Kontext der Spandauer Ereignisse heraus und einige Ausführungen sind auch nicht richtig.
Der ehemalige Berliner Bausenator Wolfgang Nagel war nie, wie angegeben, Baustadtrat im Bezirk. Und die erste urkundliche Erwähnung Spandaus datiert inzwischen nicht mehr auf das Jahr 1232, vielmehr taucht der Name bereits in einem Dokument anno 1197 auf.
Das lässt sich aber verschmerzen. Entscheidend sind die Fotos. Ihre Herkunft, die Motive und der lange Zeitrahmen geben dem Buch ein Alleinstellungsmerkmal. Und noch eine Botschaft haben sie parat. Viele Aufnahmen zeigen winterliche Schnee- und Eislandschaften, sogar die zugefrorene Havel. Auch das lässt sich so heute kaum noch ins Bild setzen.
Mein Spandau – eine fotografische Zeitreise, 160 Seiten, 275 Fotografien, 29,80 Euro, VBN Verlag Bernd Neddermeyer, ISBN 978-3-941712-87-4 ist derzeit nur in der Dorotheenstädtischen Buchhandlung, Carl-Schurz-Straße 53 (eine größere Anzahl), bei Bücher am Nonnendamm (15 Stück), der Buchhandlung Johannesstift (einige Exemplare), bei Thalia Havelpark (einige Exemplare) vorhanden. Es kann aber auch bei Christian Bedeschinsky unter 0172/322 54 78 oder info@industrie-galerie.de bestellt werden.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.