Besuch bei der "Vogelfrau"
Annedore Lagner und ihre Tierrettungsstation

Der kleine Mauersegler ist einer der jüngsten Mitbewohner von Annedore Langner. | Foto: Thomas Frey
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  • Der kleine Mauersegler ist einer der jüngsten Mitbewohner von Annedore Langner.
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Der Mauersegler, den Anja Eichler und Dr. Manfred Ade mitbringen, stammt aus Hellersdorf. Er sei geschwächt und flügellahm von einem Mädchen auf der Straße entdeckt worden, erzählten sie. Entgegen dem Rat ihrer Mutter habe sich das Kind um das Tier gekümmert. Sie hätten den Transport übernommen.

Für Annedore Langner bestätigt dieser Bericht manche Urteile und Vorurteile. Heranwachsende würden häufig mehr als Erwachsene eine Sensibilität für verletzte Vögel zeigen. Anja Eichler und Manfred Ade sind deshalb für sie ein Positivbeispiel. Die hätten nicht nur die Fahrt durch die Stadt in Kauf genommen, sondern auch noch eine Spende dagelassen. "Sehr angenehme Menschen", lautete ihr Urteil, als sich die beiden verabschiedet hatten. "Aber leider nicht die Regel."

Eine echte Lebensaufgabe

Annedore Langner nennt sich "die Vogelfrau". Das Pflegen kranker Tiere ist seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten ihre Lebensaufgabe. Das Interesse habe sich bereits in der Jugendzeit entwickelt, erzählt die 62-Jährige. Seit Beginn des Vorruhestands wurde es ihre Berufung. 2013 kaufte Annedore Langner ein Anwesen in den Tiefen von Tiefwerder. Der Weg zu ihr führt über die Website www.findevogel-ev.de und die dort angegebene Telefonnummer.

Das Erdgeschoss im Haus ähnelt einer Vogelhandlung. Zwischen Mobiliar stehen Käfige mit Tieren. Zehn Vögel waren an diesem Tag in der Obhut von Annedore Langner. Über das Jahr kümmert sie sich um eine dreistellige Zahl. Die sie dann "aufpäppelt"? Falsche Formulierung, wird Annedore Langner deutlich: Sie "päpple" nicht, sondern pflege und betreue. Das verwendete Wort hält sie für despektierlich, fast herbwürdigend.

Annedore Langner kann sehr direkt sein. Nicht jeder kommt damit anscheinend klar. Nach ihren Angaben sei sie schon Beschimpfungen, Verleumdungen und Bedrohungen im Netz und vor Ort ausgesetzt gewesen.

Spenden erwünscht

Für Ärger würden bereits Menschen sorgen, die kranke Vögel bei ihr ankündigen, dann aber nicht erscheinen. Wahrscheinlich schrecke manche die oft lange Reise nach Spandau ab. Andere machen sich zwar auf den Weg, vergessen aber nicht zu erwähnen, wie viel Zeit und Mühsal sie das gekostet habe. Mitgefühl sei bei ihr nach so einem Einstieg kaum zu erwarten. Zum einen wäre es Verpflichtung, sich um verletzte Vögel zu kümmern. Außerdem trage sie ab diesem Moment die Hauptsorge.

Manche würden auch pampig, wenn sie darum gebeten werden, etwas Geld in der Spendenbox zu hinterlassen. Dabei finanziere der Obulus nur einen Teil ihrer Tierkosten. Den Rest steuere sie mit ihrer Rente bei. Außerdem durch dreimal putzen in der Woche.

Mauersegler muss zu Kräften kommen

Ihre Berichte führen zu der Vermutung, dass Annedore Langner vor allem Anerkennung für ihren Einsatz bekommen möchte. Passiert das, wie bei Anja Eichler und Manfred Ade stimmt die Chemie. Die beiden interessierten sich für die Arbeit der Vogelfrau. Sie erklärte ihnen zum Beispiel, wie sie nicht nur den Eingang des Mauerseglers dokumentiert. Auch, was mit ihm jetzt passiert. Seine Flügel seien noch zu klein. Sie müssten weitere Zentimeter wachsen, das Tier zu Kräften kommen. Ungefähr 14 Tage werde das dauern.

Ohnehin zeigt sich sehr schnell, dass auf die Frau das Klischee von harter Schale und weichem Kern passt. "Sie mögen Vögel mehr als Menschen." Auch diese Einschätzung lässt sie so stehen.

Netzwerk aus Unterstützern

Dabei ist es nicht so, dass sie Artgenossen aus dem Weg geht. Vor allem nicht solchen, die ihr Anliegen teilen. Um die Vogelfrau herum existiert ein Netzwerk aus Gleichgesinnten und Unterstützern. Ihre Rettungsaktionen finden im Rahmen eines Vereins statt. Das sei schon deshalb nötig gewesen, um Spenden einwerben zu können. Hilfe bekäme sie von Tierärzten. Einer Vertreterin dieses Berufsstandes verdanke sie ein Großteil ihres Wissens über Vogelpflege und Behandlung. Annedore Langner kann ausführlich darüber berichten, welches Futter für welche Art geeignet ist und welche Speisen sogar tödlich sein können.

Auch im Fall des Mauerseglers wird klar, dass sie nicht allein agiert. Wenn er wieder hergestellt ist, hole ihn eine Mitstreiterin aus Reinickendorf ab, die ihn in die freie Natur entlasse. Zunächst werde getestet, ob er wirklich fliegen könne. Deren Mann beobachte deshalb den ersten und mögliche weitere Flugversuche mit dem Fernglas und sammle den Vogel wieder ein, wenn das Abheben misslingt.

Auch darüber hinaus gibt es Menschen, die das Wirken von Annedore Langner zu würdigen wissen. Etwa ein Leser, der das Spandauer Volksblatt auf sie hingewiesen hat. Die Frau benötige "moralischen Beistand", meinte unser Leser: Wenn sie ihre wichtige Arbeit nicht mehr mache, gäbe es niemanden, der die Lücke füllen könne.

Klimawandel hat Folgen

Annedore Langner vermittelt nicht den Eindruck, als würde sie demnächst aufgeben. Auch wenn sie an der allgemeinen Situation wenig ändern könne, denn nach ihren Beobachtungen und Einschätzungen handelt es sich bei vielen Vogelarten um eine aussterbende Spezies. "Wir sind hier an einem Naturschutzgebiet. Hören Sie Vogellärm? Nein." Das sei eine Folge des Klimawandels, dazu kämen reduzierte Möglichkeiten für viele Tiere, geeignetes Futter zu finden. Beim Aussterben würden die Vögel aber den Menschen nur vorangehen, lautet ihr Resümee.

Der heutige Tag sei bisher sehr schön gewesen, fand Annedore Langner. Deshalb sollte sie ihr Handy eigentlich ausmachen und die weiteren Stunden genießen. Aber das gehe natürlich nicht. Möglicherweise warte noch irgendwo ein Vogel auf Hilfe.

Eine kleine Schwalbe ist auch bereits angekündigt worden. Deren Finderin, eine junge Frau, meldet sich kurz darauf. Sie kommt vom Werbellinsee im Land Brandenburg und hat die Spandauer Anlaufstelle im Internet gefunden. Trotz der langen Strecke ist sie froh, eine Bleibe für das Tier gefunden zu haben. Auch in ihrem Fall scheint es sich um eine angenehme Besucherin zu handeln.

Was sie sich für die Zukunft wünsche, war kurz zuvor eine Frage an Annedore Langner. "Das Bundesverdienstkreuz", lautete ihre Antwort.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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