Ingeborg Steinborn über die Heimat von damals und heute

Spandau. Als Ingeborg Steinborn den Leser-Aufruf zur Aktion "Meine Heimat" gelesen hat, fing sie an, sich für die Berliner Woche zu erinnern. Das Ergebnis: Ein Gedankengang durch ihre persönliche Geschichte.

Ich bin 93 Jahre und habe in vielen Gegenden gewohnt. Warum das so war, möchte ich Ihnen gerne jetzt erzählen:

Geboren bin ich in Berlin. Es war im Jahr 1938, als Adolf Hitler auch uns Mädels dazu verpflichtete, ein Dienstjahr zu machen. Die Männer mussten in den Arbeitsdienst und danach zur Wehrmacht. Wir Mädels konnten uns aussuchen, entweder zum Arbeitsdienst oder zum Landschuljahr zu gehen. Ich entschied mich zum letzten und bin nach Sonnenburg N/M bei Küsterin, zu einem Bauer gekommen, wo ich mein Pflichtjahr, so nannte man es, ableisten musste.

Ausbruch des Krieges

Dort lernte ich auch meinen späteren Mann kennen. Da aber 1939 der Krieg ausbrach, habe ich dort nie gewohnt. Sonnenburg wurde polnisch und damit hatte mein Mann seine Heimat verloren. Mein Mann kam in englische Gefangenschaft und blieb nach seiner Entlassung in Westdeutschland.

Hürden überwinden

Wir sind 1943 in Charlottenburg ausgebombt worden und durften jetzt fest in Falkensee, wo meine Eltern ein Wochendgrundstück hatten, wohnen. Vor dem Krieg war das dauerhafte Wohnen dort nicht erlaubt. Falkensee kam unter russische Herrschaft. Mein Mann wollte hier nicht herkommen, darum wollte ich zu ihm nach Kalthof in der Nähe von Iserlohn. Da ich in der russischen Zone wohnte, hatte ich große Schwierigkeiten, nach Westdeutschland zu ziehen. Das konnte ich nur über die englische Kommandantur erreichen. Zum Glück wohnte meine Oma in Charlottenburg und darum konnte ich zu der Kommandantur gehen und meinen Ausreiseantrag stellen, wo ich dann auch die Ausreisebewilligung bekam. In Iserlohn haben wir dann bis 1948 gewohnt.

Familiäre Umstände zwangen uns dann doch, nach Falkensee zurückzukehren, was dann aber auch wieder nicht so einfach war. Meine Mutter musste erst eine Einreiseerlaubnis bei den Russen beantragen.

Zwischen Ost und West

Mit zwei Kindern haben wir uns dann auf den Weg gemacht. Dieses war auch wieder sehr schwierig, da zwischen Ost- und Westdeutschland noch keine Bahnverbindung bestand. So mussten wir ein Stück zu Fuß über die Gleise laufen bis zur nächsten Station in der DDR. Dort wollten sie meinen Mann in Gefangenschaft nehmen, weil sie dachten, dass er ein geflohener Soldat war. Zum Glück konnte er sich ausweisen und wir konnten unserer Reise fortsetzen.

Dort habe ich, bis mein Mann 1985 verstorben ist, gewohnt. Überall wo ich mit meiner Familie zusammen war, war auch meine Heimat.

Aber 1987 bin ich wieder nach Berlin gezogen, denn das ist meine wahre Heimat.

Ingeborg Steinborn

Autor:

Lokalredaktion aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 121× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 453× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 422× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 855× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.