Zum Schiffsführer in Rekordzeit
Merlin Thieke (20) ist Deutschlands jüngster Binnenschifffahrtskapitän
Die „Wappen von Spandau“ wird an diesem Morgen am Lindenufer für die erste Tour fertiggemacht. Am Steg warten bereits die ersten Fahrgäste. Auch der Kapitän ist schon da. Akkurat sitzt seine Uniform. Was aber sofort auffällt, ist sein jugendliches Alter.
Merlin Thieke, so der Name des Schiffsführers, ist tatsächlich gerade einmal 20 Jahre alt. Er ist damit Deutschlands jüngster Binnenschifffahrtskapitän. Und so wie der junge Mann vor einem steht, vermittelt er den Eindruck, als sei er sozusagen in diese Aufgabe hineingeboren.
Ganz so war es natürlich nicht. Zwar ist Merlin Thieke in Spandau und Zehlendorf in Wassernähe aufgewachsen und seine Familie besaß ein Sportboot. Die Begeisterung stellte sich aber erst bei einem Praktikum ein. Er entschloss sich zu einer Ausbildung, wurde Bootsmann und Steuermann, absolvierte die praktischen Voraussetzungen, zum Beispiel 180 Fahrtage am Steuer, ehe er zum Lehrgang als Schiffsführer zugelassen wurde. Die Prüfung bestand er im ersten Anlauf.
Ein Aufstieg in Rekordzeit. Für den 20-Jährigen eher ein geradliniger Weg zu seiner Berufung. Sehr schnell sei ihm klargeworden, dass das, was er mache, alles beinhalte, was ihn besonders interessiere. Er beschreibt es mit „Motoren, Maschinen und Menschen“. Der Dreiklang stehe für die Vielseitigkeit. Es gehe um technische Dinge, um die Verantwortung für das Schiff und nicht zuletzt um den Kontakt mit den Fahrgästen.
Als Kapitän ist Merlin Thieke auf verschiedenen Strecken der Reederei Lüdicke im Einsatz: auf der Sieben-Seen-Fahrt von Spandau bis zum Griebnitzsee, durch die Berliner Innenstadt oder nach Tegel. Er fährt fahrplanmäßig über das Wasser oder bei Sonderfahrten. Wenn er Freizeit hat, spielt das Wasser ebenfalls eine Rolle. „Ich habe mir inzwischen ein Sportboot gekauft.“
Als Schiffsführer ist er auch Reiseführer, moderiert die Touren, erzählt, was am Ufer zu sehen ist, verweist auf Besonderheiten. Hier habe er sich viel von älteren Kollegen abgeschaut, gleichzeitig aber seinen eigenen Stil gefunden. Seine Ansprache variiere nach Publikum, sei bei einer Seniorenfahrt etwas anders als bei einer Party- oder Hochzeitsgesellschaft. Diese Vielfalt an Passagieren sind ein Grund, warum er seinen Beruf einen „Traumjob“ nennt. Er komme mit unterschiedlichsten Menschen zusammen und seine Aufgabe sei es, ihnen einige angenehme Stunden zu bereiten. Was wiederum für einen selbst sehr befriedigend sei.
Schon wegen seines Alters ist auch der Reederei Lüdicke klar, dass sie mit Merlin Thieke eine Art Vorzeigekapitän in ihren Reihen hat. Auch die Schifffahrtsbranche leidet unter Fachkräftemangel. Der 20-Jährige ist darüber hinaus mit seiner Einstellung und Auftreten ein Werbeträger. Dem Klischee, dass seine Generation bei der Berufswahl vor allem an Work-Life-Balance denkt, entspricht er nicht. „Die Arbeit muss Spaß machen“, sagt Thieke, unabhängig von der Arbeitszeit und den Anforderungen. Ansonsten wäre es ja langweilig.
In den Sommermonaten ist er sechs bis sieben Tage in der Woche im Einsatz. Nach der Hauptsaison gleicht sich das zwar aus. Aber auch dann gebe es noch genug zu tun. Außerdem möchte sich Merlin Thieke weiter qualifizieren und Patente für zusätzliche Strecken oder Nachtfahrten mit Radar erwerben.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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