Der Ruhestand beendet eine Ära
Nach fast drei Jahrzehnten tritt Gerhard Hanke als Stadtrat ab
In seinem Büro stehen bereits die Umzugskartons. Die Regale sind gelichtet. Neben einigen Büchern und Dokumenten wartet auch eine Uhr auf den Abtransport. Sie zeigt in diesem Moment einige Minuten nach zwölf.
Eine fast symbolische Zeitangabe für das Wirken von Gerhard Hanke (CDU). Im Januar ist er 65 Jahre alt geworden, hätte dann eigentlich in Pension gehen müssen. Nahezu einmütig hatte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) kurz zuvor seine Amtszeit bis zu den Wahlen und der Neubildung des Bezirksamtes verlängert. Das ist jetzt abgeschlossen, Gerhard Hanke tritt endgültig ab. Nach mehr als 29 Jahren als Stadtrat.
Fast drei Jahrzehnte Mitglied in der Bezirksregierung sind einsamer Rekord in Berlin und wahrscheinlich einer für die Ewigkeit. Gerhard Hanke ist das bewusst, auch wenn er dieses besondere Alleinstellungsmerkmal einzuordnen versucht. Es habe nicht allein an ihm gelegen, dass er so lange amtierte. "Ich brauchte das Vertrauen meiner Partei und wir zusammen das der Wählerinnen und Wähler." Das trug über sieben Wahlperioden, drei Bürgermeister und verschiedene Ressorts, für die Hanke verantwortlich war.
Begonnen hat seine Bezirksamtskarriere im August 1992, als der damals 36-Jährige Stadtrat für, wie das damals noch hieß, Volksbildung wurde. Dazu gehörten die Schulen, die Musikschule, die Volkshochschule und die Bibliotheken. Das Aufgabenfeld sei ihm zunächst nur insofern vertraut gewesen, "dass ich auch mal in der Schule war", erinnert er sich heute. Er habe sich zu Beginn auf das Fachwissen der Mitarbeiter verlassen und dadurch selbst Expertise gewonnen. Und dabei schnell bemerkt, dass er einer öffentlichkeitswirksamen Abteilung vorstehe, bei der sich manches bewegen ließe.
Erfolgsgeschichte Zitadelle
Noch mehr galt das für den Bereich, den er nahezu seine gesamte Amtszeit verantwortet hat und der zu seinem Lieblingskind wurde – die Kultur. Dort hat Stadtrat Hanke auch die meisten Spuren hinterlassen. Was vor allem mit "diesem Bauwerk, ganz in der Nähe" zusammenhängt, so seine Beschreibung der Zitadelle.
Die Festung war zu Beginn seiner Amtszeit zwar keine vergessener Ort, aber eher einer, der von historischen Feinschmeckern oder baugeschichtlich Interessierten besucht wurde. 25 000 Zitadellengäste pro Jahr seien Mitte der 1990er-Jahre gezählt worden. Heute wäre es eine dreiviertel Million, rekapituliert Hanke diese Erfolgszahlen, die er auch gerne bei öffentlichen Auftritten erwähnte.
Unter seiner Ägide wurde die Zitadelle zum Kunstort mit zahlreichen Museen. Auch Theater- oder Musikaufführungen finden in den teilweise neu gestalteten Räumen statt. Ebenso wie nebenan in der reaktivierten Freilichtbühne. Dazu kommt das Citadel Music Festival im Sommer, das – bis zur inzwischen zweimaligen Corona-Zwangspause – die Massen nach Spandau lockte. Es soll, kündigte Hanke an, im kommenden Jahr durch Klassik und Comedy erweitert werden.
Seine Verabschiedung hat, ebenso wie die des bisherigen Bürgermeisters Helmut Kleebank (SPD) ebenfalls auf der Zitadelle stattgefunden. Dass er dabei zum „Ehrenkommandanten“ der Festung ausgerufen wurde, scheint Gerhard Hanke einigermaßen stolz zu machen.
„Freispruch erster Klasse“
Es hat in seinem Stadtratsleben aber nicht nur Erfolge gegeben. Einschneidend war vor gut zehn Jahren eine Affäre, die auf seinen weiteren Werdegang einige Auswirkungen hatte. In Hankes Büro sowie Wohnhaus rückten Polizei und Staatsanwaltsschaft an. Der Vorwurf: Vorteilsnahme im Amt, geäußert durch eine anonyme Anzeige. Es ging zum Beispiel um eine Geburtstagsparty für seine Frau in der Zitadellenschänke, die angeblich zu besonders günstigen Konditionen ausgerichtet wurde. "Es ging insgesamt, glaube ich, um 15 angebliche Delikte", sagt Hanke heute. Um alles mögliche, wohl in der Hoffnung, irgendetwas werde schon hängen bleiben. Er sei zwar überzeugt gewesen, dass er sich keiner Vergehen schuldig gemacht habe, aber wer könne sich da völlig sicher sein. Diese Phase in den Jahren 2010 und 2011 sei schwierig, bedrückend, auch existenzbedrohend gewesen.
Es gab am Ende keine Belege für irgendwelche Unregelmäßigkeiten. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein. Hanke spricht von einem „Freispruch erster Klasse“. Trotzdem lief danach noch ein Disziplinarverfahren weiter, das der damalige Bürgermeister Konrad Birkholz (CDU) gegen ihn angestrengt hatte. Zudem war er in dieser Phase von seinen Aufgaben als Stadtrat für Kultur sowie für Sport suspendiert.
Den 2015 verstorbenen Birkholz und dessen damaligen Rechtsamtsleiter sieht Hanke auch heute noch als Hauptakteure in dieser Angelegenheit. Birkholz habe ihn damals als Bürgermeisternachfolger verhindern wollen. Bei den Wahlen 2011 verzichtete er wegen der Vorwürfe auf eine Kandidatur. Damals kam der bis vor kurzem amtierende Sozialdemokrat Helmut Kleebank ins Amt. Hanke trat dann fünf Jahre später gegen ihn an und verlor. Diese Niederlage habe ihn wirklich geschmerzt. Vor allem auch deshalb, weil die CDU mehrere Sitze in der BVV verlor. Dabei habe er eigentlich nie wirklich nach dem Bürgermeisterposten gestrebt, beteuerte er bei seinem Abschied. Das Amt sei zwar repräsentativ, biete aber wenig Gestaltungsmöglichkeiten. Ganz anders als etwa die Kultur.
Für ein paar Tage Bürgermeister
Auf seinen letzten Metern wurde Gerhard Hanke aber doch noch für wenige Tage Spandauer Bürgermeister. Helmut Kleebank wurde in den Bundestag gewählt. Sein Mandat begann offiziell am 15. Oktober. Parallel dazu konnte er nicht mehr Rathauschef sein. Hanke als bisheriger Stellvertreter übernahm.
Diese Aufgabe endet wie seine Stadtratstätigkeit am 5. November. Er werde an diesem Tag das neu gewählte Bezirksamt empfangen und die Geschäfte übergeben, skizzierte er seinen letzten Termin. Er werde vor allem die neuen Stadträte daran erinnern, dass es leichter sei, in der BVV irgendwelche Forderungen zu stellen, als sie im Amt umzusetzen. Er kennt das ja alles aus langer Erfahrung.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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