"Kreativität in höchster Not"
Obdachlosenlager berührt Spandauer Volksblatt-Leserin Irene Gebert
Das Foto schickte Volksblatt-Leserin Irene Gebert. Es zeigt ein Obdachlosenlager an der Havel. Entdeckt habe sie es bei ihren wöchentlichen Radtouren in dieser Gegend.
Beim Blick auf das Bild wird schnell deutlich, dass diese Notunterkunft unter der Brücke einige Besonderheiten aufweist. Sie macht einen gepflegten Eindruck. Ein mit Blumen geschmückter Vorgarten ist zum Beispiel zu erkennen. Ein Zaun grenzt das Anwesen ab. Darauf befinden sich Kerzen. Sogar eine Klingel gibt es. Der Anblick zeige "eine einmalige Kreativität in höchster Not", erklärt Irene Gebert in ihrer E-Mail an das Spandauer Volksblatt.
Zwei Männer mittleren Alters hätten sich auf diese Weise ihren Alltag "trotz Kälte, Armut, Anfeindungen" gestaltet. Beide würden bedingt durch familiäre Vorgeschichten auf der Straße leben. In einer Unterkunft wollten sie nicht und hätten das mit Schmutz, Diebstahl und Ansteckungsgefahren begründet.
Ihr Lagerplatz scheint trotzdem nicht allen zu gefallen. Die Männer hätten von einer Räumungsandrohung berichtet, weil Beschwerden eingegangen wären, berichtet Irene Gebert. Dabei sei doch gerade der Hang der beiden Männer zu Ordnung und Ruhe augenfällig. "Selbst die Kippe landet im Aschenbecher und nicht im Sand".
"Beschwerden, Räumung, weil wir diesen Anblick nicht ertragen können?", überlegte die Leserin. Sie selbst sei demütig und nachdenklich geworden. "Unsere Ängste, Sorgen und Zweifel angesichts der Corona-Krise... Und doch leben wir in einer warmen Wohnung mit gefülltem Kühlschrank".
Mehr Toleranz und Miteinander, "indem wir Menschen am sogenannten Rand der Gesellschaft nicht ignorieren", lautet ihr Plädoyer. Schon ein freundliches Wort würde dafür reichen. Oder vielleicht ein heiße Kaffee, ein Brötchen oder ein warmer Pullover. Solche Unterstützung gibt es auch. Immer wieder kämen Hilfsbereite mit Essen vorbei, freut sich Irene Gebert.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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