Ein Politiker im Visier der Staatssicherheit
Geheimdienst-Chaos um Karl-Heinz Bannasch
Bei der Betrachtung des Staatssicherheitsdienstes der DDR als Unterdrückungsinstrument wird oft vergessen, dass auch West-Berliner ins Visier dieses Geheimdienstes gerieten.
Als Karl-Heinz Bannasch Pfingsten 1982 von West-Berlin nach Westdeutschland fahren wollte, wurde ihm von den DDR-Grenzern mitgeteilt, dass er vom Transitverkehr durch die DDR ausgeschlossen sei. Außerdem habe man ihn „schon erwartet“.
Inzwischen weiß der langjährige FDP-Politiker und Vorsitzende der Heimatkundlichen Vereinigung Spandau 1954, dass er seit 1980 im Visier der Staatssicherheit (Stasi) der DDR war. Einen ganzen Aktenordner füllen die Berichte, die unterschiedliche Zuträger und Stasimitarbeiter angefertigt haben.
Als 18-Jähriger war Bannasch in die FDP eingetreten und gehörte bald schon zu den Gründungsmitgliedern der Jungen Liberalen. Eines seiner politischen Hauptanliegen war die Wiedervereinigung Deutschlands. In seiner eigentlich sozialdemokratisch geprägten Familie war es noch üblich, zum 17. Juni, dem Jahrestag des Arbeiteraufstandes in der DDR 1953, eine Kerze ins Fenster zu stellen und die Landsleute jenseits von Mauer und Stacheldraht zu grüßen.
Wie andere Liberale suchte Bannasch Kontakt zu LDPD-Mitgliedern, der liberalen Partei in der DDR, die als Blockpartei zwar staatstragend war, aber mit einer Abneigung gegen Ideologie auch immer mal wieder eigene Wege suchte. Waren schon diese Kontakte der Staatspartei SED und ihrem Sicherheitsapparat ein Dorn im Auge, wurde dieses Misstrauen im Zuge des Wettrüstens noch stärker.
Als die Nato den sogenannten Doppelbeschluss fasste, der die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik vorsah für den Fall, dass die Sowjetunion ihre ähnlichen SS-20-Raketen nicht zurückzog, prägte eine Zeitlang die Friedensbewegung das westdeutsche Bild, vor allem mit den beiden großen Demonstrationen 1981 und 1982 gegen die amerikanische Rüstung im Bonner Hofgarten. Dass das Bonner Friedensforum eine ähnliche hohe Zahl an Menschen gegen die sowjetische Rüstung an gleicher Stelle auf die Straße brachte, ging in der Öffentlichkeit schnell unter – nicht jedoch in der Wahrnehmung der Stasi.
Bannasch war der Berliner Vertreter im Bonner Friedensforum und galt daher der Stasi als „antikommunistisch, entspannungsfeindlich und gegen die DDR aktiv“. Die Hinweise auf sowjetische Rüstung galten als „Hetze“.
Die Sperre für den Transitverkehr galt für Bannasch bis zum Mauerfall. Doch die Stasi wollte ihn nicht nur innerhalb der DDR nicht: An einer Stelle der Akten ist von Überlegungen zur „Eliminierung“ des Friedensforums die Rede. Hätte Bannasch das damals erfahren, ist er sich nicht sicher, ob er weitergemacht hätte. „Eliminierung kann Auflösung einer Gruppe bedeuten, aber eben auch anderes“, sagt er mit Blick auf Morde, die die Stasi auch im Westen ausführen ließ. Gleichwohl betont Bannasch, dass er nicht in dem Maße Opfer der Stasi sei, wie es Menschen waren, die in der DDR ins Gefängnis gesteckt wurden
Immerhin betrieb die Stasi großen Aufwand. Sie machte sich nicht nur die Mühe, Bannaschs Wohnungen und seine Autokennzeichen zu registrieren. In einem Bericht sind die Namen der anderen Mietparteien auf seiner Etage notiert und der Name der Vermieterin.
Doch bei allem Aufwand zeigt sich ein Geheimdienstchaos. Bannasch wird immer wieder von unterschiedlichen Stasi-Abteilungen „betreut“, mal erscheint er in den Akten mit seinem richtigen Namen, dann wird ihm der Bezugsname „Spieler“ gegeben, weil er zu jener Zeit leidenschaftlicher Fußballer war. Einmal tauchen zwei Personen als Berliner Vertreter im Bonner Friedensforum auf, obwohl Bannasch der einzige war. In einem Schreiben steht, dass Bannasch Polizeibeamter ist, in einem anderen ist sein Beruf unbekannt. In ein und demselben Schriftstück wird sogar gefragt, ob Karl-Heinz Bannasch mit Karl-Heinz Bannasch identisch sei.
Ein Teil der Informationen stammt von einem inoffiziellen Mitarbeiter (IM) mit dem Decknamen „R. Becker“. Hier hofft Bannasch, noch irgendwann den Klarnamen herauszubekommen. Ein am 25. März 1988 im Spandauer Volksblatt veröffentlichter Artikel über den Spandauer Bürgermeister Eduard Zimmermann, verfasst vom schon damals historisch interessierten Bannasch, findet sich auch in den Akten.
Eine Genugtuung hat Bannasch aus jener Zeit: Als nach dem Mauerfall vom 9. November 1989 die Rufe auf Demonstrationen in der DDR von „Wir sind das Volk“ zu „Wir sind ein Volk“ umschwenkten, ließ die Spandauer FDP Aufkleber mit dem letzten Slogan drucken, die in der noch existierenden DDR reißenden Absatz fanden.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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