Für 960 Stunden pro Woche gab es keine Vertretung
Wenn Unterricht ausfällt, ist das für Schüler eher Freude als Ärgernis. Doch an vielen Schulen hat der Unterrichtsausfall wegen Lehrermangel, Überalterung und Langzeiterkrankungen mittlerweile ein Ausmaß angenommen, das für Schulleiter, Eltern und Schüler kaum noch akzeptabel ist. Für offizielle Stellen in Berlin scheint der Unterrichtsausfall deshalb ein heikles Thema zu sein. Die Spandauer Außenstelle der Senatsbildungsverwaltung verweist auf die zentrale Pressestelle und die geht erst einmal auf Tauchstation. Offizielle Zahlen gibt es nur für das abgelaufene Schuljahr in Form einer Antwort der Senatsbildungsverwaltung auf eine Anfrage der Grünen im Berliner Abgeordneten von Ende Januar. Demnach fielen an Spandaus Schulen im Schuljahr 2012/2013 insgesamt 960 Wochenstunden ersatzlos aus.
Erheblichen Ausfall gab es an der Grundschule im Beerwinkel. Dort endete der Unterricht in der Woche vom 11. bis 15. November bereits um halb zwölf mittags. Dank vier neuer Lehrer hat sich die Situation an der Schule aber inzwischen deutlich entspannt.
Vertreten werden mussten im vorigen Schuljahr immerhin 3230 Wochenstunden, was aber noch nichts darüber aussagt, ob an den Schulen auch der Unterricht abgehalten wurde, der eigentlich hätte stattfinden müssen. Andrea Gowitzke, Vorsitzende des Bezirkselternausschusses, sieht die Ursache der Probleme vor allem in der fehlenden Vertretungsreserve, die jede Schule braucht. "Selbst wenn eine Schule eine statistische Lehrer-Ausstattung von 100 Prozent hat, birgt das schon Probleme. Ein oder zwei Krankheitsfälle können da schnell den Stundenplan durcheinander bringen, gerade an kleinen Schulen, von denen es in Spandau viele gibt."
Doch wo keine Lehrer vorhanden sind, kann auch nicht vertreten werden. Knapp 130 Pädagogen fehlen derzeit in Spandau. Laut einer Antwort der Senatsbildungsverwaltung auf eine Anfrage der Spandauer GAL-Fraktion vom April waren im März 61 Lehrer langzeiterkrankt und fehlten durchschnittlich zwischen drei und zwölf Monate. Nach Einschätzung des Bezirkselternausschusses haben aktuell acht Schulen größere Probleme mit dem Unterrichtsausfall: Mary-Poppins-Grundschule, B.Traven-Oberschule, Bernd-Ryke-Grundschule, Kant-Gymnasium, Carlo-Schmid-Oberschule, Zeppelin-Grundschule, Robert-Reinick-Grundschule und Freiherr-vom-Stein-Oberschule. "An einer Schule fällt seit sechs Wochen der Physikunterricht in einer Klasse aus und eine andere Schule hat einen Fehlbedarf von 32 Englisch-Stunden", berichtet Andrea Gowitzke. Wo der Vertretungsplan oder das Personalkostenbudget (PKB) nicht mehr greift, würden Schüler mit "Stillarbeit" nach Hause geschickt, Wandertage oder Projekttage in die Prüfungszeit gelegt, Lehrer aus dem Förderunterricht abgezogen und Integrationsstunden gestrichen. Andrea Gowitzke: "Auch wenn die Situation an den Schulen derzeit nicht mehr so dramatisch ist wie noch vor wenigen Jahren, ist jede Unterrichtsstunde, die ausfällt, eine zu viel."
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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