Ödön von Horvath lebt in einer Magma-Produktion weiter
Im Stück des englischen Dramatikers Christopher Hampton trifft der bei einem Gewitter in Paris herunter geschleuderte Ast, der den vor den Nazis geflohenen österreichisch-ungarischen Schriftsteller Horvath in Paris am 1. Juni 1938 tötete, einen anderen Passanten. Der hier durch die Kraft des Autors weiterlebende Autor gelangt nach Amerika, wo er auf andere Exilanten trifft. Horvath ist in dieser Situation der Erzähler und Beobachter, und er ist zugleich beteiligt. Er langweilt sich, wenn der vornehme Thomas Mann zu seinen Endlosvorträgen über Goethe und die Kunst ansetzt. Und er bemitleidet dessen älteren Bruder Heinrich, den er und viele andere Intellektuelle für den wichtigeren Schriftsteller halten. Heinrich Mann muss damit leben, dass er seiner viel jüngeren Frau Nelly nicht das Glitzerleben bieten kann, was diese aus Berlin vermisst, und dass er auch ihre Alkoholsucht nicht stoppen kann, die eine Ursache ihres Selbstmordes ist.
Natürlich platzt auch immer wieder Bertolt Brecht in die Zusammenkünfte der Geflohenen, wo ihn Helene Weigel derb vor den Interessenbekundungen anderer Frauen schützt, und die anderen von seinem Theaterkonzept genervt sind.
In der Regie von Christian Engels und Felix Witzlau zeigen die Magma-Leute eine Gemeinschaft von Menschen, die sich untereinander weitgehend nicht grün sind und auch noch das Problem haben, als deutschsprachige Schriftsteller für das amerikanische Kulturleben nur am Rande interessant zu sein - zumeist als Lieferanten von Drehbüchern für Hollywood-Produktionen, die dann doch nur selten den Weg von der Schublade ins Filmstudio schafften.
Zugleich zeigen sich auch die Risse, die nach dem Ende der Nazi-Diktatur weiter bestehen. Hält man die Mehrheit seiner Landsleute für schuldig am Nationalsozialismus, hat man Verständnis für Anpassung und Duckmäusertum? Die Inszenierung gewinnt viel Unterhaltungswert daraus, dass sie oft die theoretischen Kämpfe in den oft banalen, aber unterhaltsamen Klatsch und Tratsch zwischen Personen mit allzu menschlichen Schwächen kleidet - und gerade dadurch auch die Zeitlosigkeit des Themas Exil unterstreicht. Auch heute sind Menschen auf der Flucht, und sie schlagen sich ebenso wie die deutschen Flüchtlinge in Hollywood mit Fragen nach Leben und Tod herum, aber auch mit kleinen Reibereien, die in Jahrzehnten aus dem zeitlichen Abstand heraus ihre komischen Seiten haben.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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