Spandauer errichteten Rathaus-Modell aus Ankersteinen
"Moment bitte", sagt Dieter Schäfer und balanciert mit der Pinzette einen verrückten Baustein zielgenau an seinen Platz zurück. Details sind wichtig, wenn man originalgetreu nachbauen will. Erst recht, wenn es um das höchste Gebäude Spandaus geht, rechteckig im Bau, mit drei Höfen, gewölbtem Dach, barocken Fassaden, unzähligen Fenstern, Sockeln, Treppenhäusern und dem Stadtwappen über dem Haupteingang. Mehr als 45 Arbeitsstunden haben Dieter Schäfer, Helmuth Schulze und Norbert Ehrhardt in ihr Rathaus-Modell investiert. Jetzt steht es 1,45 Meter lang und einen Meter breit im Maßstab 1:100 im obersten Stockwerk des Gotischen Hauses. Das Besondere an dem Modell: Es besteht aus kleinen Ankersteinen. Das sind Formteile, die aus Quarzsand, Schlämmkreide und Leinöl gepresst und gebacken werden. "Sie haben eine glatte Oberfläche und liegen etwas schwer in der Hand", sagt Dieter Schäfer. Ideal also zum Bauen. Zumal die Steine ohne Noppen oder Klebstoff auskommen. Das Rathaus hält allein die Statik zusammen.
Dieter Schäfer ist jetzt 76 Jahre alt, als Kind spielte er zum ersten Mal mit den Steinen, die so gut in der Hand liegen. Seitdem lassen sie ihn nicht mehr los. Mehr als 100 000 Ankersteine, die in feinen Holzkästen lagern, nennt er inzwischen sein eigen. "Mich fasziniert die Vielfalt, es gibt immerhin 300 verschiedene Formen in den Grundfarben rot, gelb und blau."
Von unten nach oben
Auch Helmuth Schulze (70) ist ein Ankersteinliebhaber. Kennengelernt haben sich die beiden Spandauer über den "Club der Ankerfreunde", der in den Niederlanden sitzt. "Bevor man sich an ein Modell wagt, muss man wissen, ob man überhaupt genügend und vor allem die passenden Steine hat", erklärt Schulze. Denn mittendrin abbrechen zu müssen, weil die Ecksteine für den Turm fehlen, wäre höchst ärgerlich.
Gebaut haben die zwei Ankerfreunde nach Fotos und einer Grundrisszeichnung. Schicht für Schicht, von unten nach oben. "Der Turm kam zuletzt, ist mit jeder Schicht aber mitgewachsen", sagt Schäfer. Wenn die Hände zitterten, half die Pinzette weiter.
Auch die Zitadelle, das Brandenburger Tor oder das Neue Museum haben die zwei schon nachgebaut. Das Spandauer Rathaus bot sich zum diesjährigen Jubiläum an. "Der Bürgermeister und der Baustadtrat sind mit der Idee zu uns gekommen", berichtet Dieter Schäfer. Allerdings sei der Raum im obersten Stockwerk des Gotischen Hauses zum Bauen mittlerweile recht eng geworden. "Der Bezirk vergibt sich eine Chance, wenn er sich nicht mehr für unser Hobby engagiert", sagt Schäfer, der gern einen größeren Werkstattraum mit Platz zum Ausstellen hätte. Im Kulturamt wird überlegt, wo das möglich wäre.
Das Rathaus-Modell kann man dienstags zwischen 10 und 16 Uhr sowie an den vier Adventssonntagen von 11 und 15 Uhr im Gotischen Haus, Breite Straße 32, bewundern. Wer schätzen kann, wie viele Ankersteine verbaut wurden, dem winkt mit seiner Familie eine kostenlose Führung auf den Rathausturm im kommenden Frühjahr. Bei der Verlosung gewinnen die drei Tipper, die der tatsächlichen Steinzahl am nächsten kommen. Einfach einen Zettel mit Tipp, Namen und Telefonnummer im Gotischen Haus hinterlegen oder eine E-Mail an Baustadtrat Carsten-Michael Röding schicken: baustadtrat@ba-spandau.berlin.de. Nach dem vierten Advent werden Dieter Schäfer und Helmuth Schulze ihr Rathaus wieder abreißen.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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