"Notstand" bei Sterbeurkunden
Bestatter beklagen zu lange Bearbeitungszeit
Die Bearbeitungszeit für Sterbeurkunden dauert im Bezirk sieben bis neun Wochen – normal wären zwei. Die Urkunden aber sind nötig, um Hinterbliebenenrenten zu beantragen oder ein Konto aufzulösen.
Die Angehörigen von Verstorbenen müssen in Spandau immer länger auf das Ausstellen der Sterbeurkunden warten. Die Wartezeit hat sich zuletzt mehr als verdoppelt und liegt jetzt im Schnitt bei sieben bis acht Wochen. Oder sogar länger. Weshalb Spandaus Bestatter mittlerweile von einem „Notstand“ sprechen.
„Für uns ist es kaum noch vertretbar, den Hinterbliebenen diesen Notstand zu vermitteln, weil sie dafür kein Verständnis mehr aufbringen“, sagt Torsten Hauck von „Bestattungen Hauck“ in Staaken. Denn viele Hinterbliebene, die keine Angehörigen haben, fallen dadurch in eine finanzielle Versorgungslücke. Der Bestatter erklärt warum. Nach dem Tod erhält die Ehegattin oder der Ehegatte drei Monate lang die gesetzliche Rente des Verstorbenen. Danach besteht Anspruch auf die Witwen- oder Witwerrente. Bei der Deutschen Rentenversicherung muss der Antrag für die dreimonatige Vorschusszahlung der Hinterbliebenenrente aber binnen vier Wochen nach dem Tod des Ehepartners gestellt werden. „Das geht natürlich nur mit der Sterbeurkunde“, sagt Torsten Hauck, „was aber im Bezirksamt Spandau so gar nicht mehr klappt.“ Eine Sterbeurkunde ist auch nötig, um die Rente abzumelden, einen Erbschein zu bekommen, das Bankkonto oder Versicherungen aufzulösen. Wer kein Testament hat, braucht die Sterbeurkunde, um Zugriff auf die Konten zu haben. „Es nützt also nichts, wenn die Rente automatisch drei Monate lang weiter auf das Konto des Verstorbenen gezahlt wird, die Witwe aber keinen Zugriff auf das Geld hat“, so der Bestatter.
50 Fälle auf dem Tisch
Torsten Hauck hat derzeit 50 Fälle auf dem Tisch, die auf eine Sterbeurkunde aus dem Standesamt warten. Darunter sind zwei von Ende März. Acht bis neun Wochen dauert die Bearbeitungszeit inzwischen, sagt Hauck, und das seit mindestens drei Monaten. Pro Monat kommen bis zu 35 neue Sterbefälle hinzu, für die der Bestatter im Auftrag seiner Kunden eine Sterbeurkunde bestellen muss.
Bei „Hafemeister Bestattungen“ in der Altstadt sind noch mehr als 40 Sterbefälle nicht beurkundet. „Die letzte Sterbeurkunde haben wir Anfang April zurückbekommen“, sagt Sieglinde Berger, Prokuristin und Enkelin der Firmengründer. „Was ärgerlich ist, denn ohne Sterbeurkunde können die Angehörigen amtlich nichts regeln.“ Bei acht Tagen lag die Bearbeitungszeit schon mal im Bezirk, kann sich Sieglinde Berger erinnern. Für acht Wochen und länger habe sie dagegen kein Verständnis. Zumal das fast schon ein ganzes Jahr so ginge, sagt sie.
Als „nicht mehr tolerabel“ bewertet auch Marc Cotta, Inhaber von „Fliegener Bestattungen“, die lange Wartezeit. Rund 50 seiner Anträge sind noch unbearbeitet, obwohl die Unterlagen komplett sind. „Das muss schneller gehen“, sagt Cotta. „Der Verlust eines geliebten Menschen ist schon schwer genug. Da muss die staatliche Dienstleistung funktionieren, schnellstens eine Sterbeurkunde auszustellen.“ Das könne der Bürger erwarten. Bestatter Helmut Witzke hat momentan zwölf Sterbefälle, die noch ohne Urkunde sind. Einer ist vom 10. April. „Die Situation haben wir jetzt seit etwa einem Dreivierteljahr“, sagt Witzke. Bei seinem letzten Termin im Standesamt hat der Bestatter erfahren, dass erst jetzt die Fälle von April bearbeitet werden.
Zwei Mitarbeiter dauerhaft krank
Im Bezirksamt bestätigt der Stadtrat für Bürgerdienste, Stephan Machulik (SPD), dass die Bearbeitungsdauer für Sterbeurkunden derzeit bei durchschnittlich sieben bis acht Wochen liegt, während es die letzten drei Jahre nur etwa zwei Wochen dauerte. Für den aktuellen Negativrekord in Spandau hat der Stadtrat eine einfache, für die Betroffenen aber wenig hilfreiche Erklärung: „personelle Engpässe“ und „hoher Krankheitsstand“. Von den acht Standesbeamten, die neben Geburts- und Heiratsurkunden auch Sterbeurkunden ausstellen dürfen, seien zwei dauerhaft erkrankt, und zwei Stellen unbesetzt. Die Ausschreibung laufe bereits. „Wir setzen jetzt alles daran, den Rückstau bei den Sterbeurkunden wieder abzubauen.“ So würden sich die Standesbeamten momentan nur darauf konzentrieren. Um die Wartezeit für die Bestatter im Standesamt zu verkürzen, will das Bezirksamt demnächst Metallschränke mit 30 Schließfächern im Rathaus aufstellen. Mit eigenem Schlüssel ausgestattet kann sich der Bestatter die fertigen Sterbeurkunden dann jederzeit abholen.
Auch andere Bezirke klagen über Probleme
Ähnlich lange wie die Spandauer warten die Bestatter in Pankow und Steglitz-Zehlendorf. Zügiger geht es in Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg. „Dort werden die Sterbeurkunden in zwei Wochen ausgestellt“, weiß Florian Lenzen, Sprecher der Bestatterinnung Berlin-Brandenburg. Länger dauere es erfahrungsgemäß in Bezirken mit vielen Krankenhäusern. Denn wo gestorben wird, ist immer das jeweilige Standesamt zuständig. Bei zu langen Wartezeiten aber sieht die Innung die Bezirksämter in der Pflicht, das Arbeitstempo möglichst zu steigern und personelle Engpässe auszugleichen. „Wobei wir wissen, dass auch bei den Standesbeamten ein Fachkräftemangel herrscht“, sagt Lenzen. Bis November 2017 hatten Berlins Bestatter die Möglichkeit, Sterbefälle sofort online bei den Standesämtern zu melden. Das habe die Bearbeitungszeit deutlich verkürzt, so Lenzen. Der digitale Service wurde allerdings wieder abgeschafft.
Dass Spandau schneller werden muss, fordern auch die 55 Bezirksverordneten. Sie haben das Bezirksamt jetzt auf Antrag der Grünen einstimmig damit beauftragt, Sterbeurkunden innerhalb von zwei Wochen nach dem Todesfall auszustellen.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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