75 Jahre Engagement über die Wirtschaft hinaus
Interview mit Gabriele Fliegel, Vorsitzende der Vereinigung Wirtschaftshof Spandau
Gabriele Fliegel ist seit 2003 Vorsitzende der Vereinigung Wirtschaftshof Spandau. Volksblatt-Reporter Thomas Frey sprach mit ihr über Veränderungen während ihrer Amtszeit, Herausforderungen der Gegenwart und Wünsche für die Zukunft.
Wie würden Sie den Wirtschaftshof und seine Arbeit mit einem Satz beschreiben?
Gabriele Fliegel: Ein sehr weltoffener Verein, der kein Thema ausschließt, sich auch im Zuhören auszeichnet und versucht, Lösungen zu finden.
Wann sind Sie zum ersten Mal mit dem Wirtschaftshof in Berührung gekommen?
Gabriele Fliegel: Während meiner Zeit als Lehrerin an der damaligen Wilhelm-Leuschner-Oberschule in den 1980er-Jahren. Schon damals habe ich für meine Schülerinnen und Schüler Praktika in Firmen organisiert. Um sicherzustellen, dass sie dort auch pünktlich erscheinen, habe ich bei einigen am Morgen selbst nachgeprüft, ob sie rechtzeitig aus dem Bett gekommen sind. Die Unternehmen waren häufig Mitglied beim Wirtschaftshof. So sind die Mitglieder und der damalige Vorstand auf mich aufmerksam geworden.
Sie sind jetzt seit über 20 Jahren im Amt. Was ist seither passiert?
Gabriele Fliegel: Eine Menge. Wir haben inzwischen mehr als 300 Mitglieder. Es wurden zahlreiche Initiativen gestartet: das Netzwerk Gesundheitswirtschaft ist nur ein Beispiel dafür. Wir engagieren uns in Projektgruppen in den Bereichen: Wirtschaft, Tourismus, Kultur und Sport und Jungunternehmer und- unternehmerinnen, wobei die Themen Bildung, Nachhaltigkeit und Klima eine große Rolle spielen. Es gibt das Unternehmerfrühstück als eines von mehreren regelmäßigen Formaten und Gesprächskreisen. Und wir sind während dieser Zeit auch diverser geworden. Der Vorstand besteht inzwischen zu 50 Prozent aus Frauen.
Mitglieder des Wirtschaftshofs sind Unternehmen aller Größen. Von BMW oder Siemens über Mittelständler bis zum kleinen Büro. Wie lassen sich die alle unter einen Hut bringen?
Gabriele Fliegel: Indem alle gleich ernst genommen und auf ihre individuellen Bedürfnisse eingegangen wird. Genau das mache ich, etwa durch regelmäßige Betriebsbesuche und unendlich vielen Telefonaten, Mittagessen und Begegnungen. Ich versuche alles sofort zu erledigen. Und von vielen gerade aktuellen Problemen sind fast alle betroffen. Ob es um nachhaltiges Wirtschaften geht, Klimaverbesserungen oder beim Thema Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel.
Wie sehen Sie die wirtschaftliche Situation in Spandau?
Gabriele Fliegel: Im Bezirk muss auch in Zukunft noch genügend Platz für Gewerbe sein. Es sind zuletzt vor allem für den Wohnungsbau mehrere Flächen verschwunden. Für die betroffenen Unternehmen war es meist sehr schwierig, einen neuen Standort zu finden. Ihr Bestand muss aber gesichert sein, denn ohne eine leistungsfähige Wirtschaft geht auch vieles andere nicht. Und um mehr Fachkräfte nach Spandau zu locken, sollten die Unternehmen die Entscheider in den Schulen besser informieren, Lehrer und Eltern.
Der Wirtschaftsstandort muss sich deshalb einigen Herausforderungen stellen. Aber er hat ein großes Potenzial und es gibt auch sehr positive Entwicklungen. Mein Lieblingsbeispiel ist hier Eintracht Spandau, ein Projekt, das weit über den Sport hinaus wirkt. Dass Eintracht seine Heimbegegnungen mangels entsprechend großer Halle nicht in Spandau austragen kann, halte ich für ein Unding. Ähnliches gilt übrigens für die seit Jahren laufenden Planungen für die Wasserballarena der Wasserfreunde Spandau 04.
Ihre Wünsche zum Jubiläum des Wirtschaftshofs und für die Zukunft?
Gabriele Fliegel: Dass wir weiterhin die Herausforderungen zusammen mit der Politik positiv angehen und zu einer Win-win-Situation machen. Dass wir Kindern und Jugendlichen die Fähigkeiten vermitteln, die sie später für ein zufriedenes und selbst bestimmtes, auch im Berufsleben benötigen. Denn wir sollten nicht vergessen, dass wir in einem tollen Land leben. Dass wir uns unserer Verantwortung stellen, gesund und in Bewegung bleiben und zu einer demokratischen, offenen Gesellschaft beitragen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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