Über Geschichte und Besonderheiten
Tourismusverein veröffentlicht Broschüre über die sieben Inseln und eine Halbinsel im Tegeler See
Geschichte, Geschichten und Besonderheiten der sieben Inseln im Tegeler See sowie die Halbinsel Reiherwerder finden sich jetzt analog und digital in der neuen Broschüre „Reif für die Insel“. Herausgeber ist der Tourismusverein Berlin-Reinickendorf.
Die Journalistin und Fotografin Christiane Flechtner erarbeitete den Inhalt der Broschüre, ebenfalls beteiligt war der Sammler und Kiezhistoriker Frank Max "Postmaxe" Polzin. Unterstützung gab es auch von der Bezirklichen Wirtschaftsförderung. Das Werk wurde aus den Einnahmen der Berliner City Tax finanziert.
Hasselwerder. Die nördlichste der Inseln gehört wie andere der Inseln im Tegeler See bis heute der Familie Humboldt. 1911 eröffnete ein Strandbad auf Hasselwerder, das bis in die 1960er-Jahre bestand. Das Ende kam, als Hasselwerder Teil des Landschaftsschutzgebiets wurde und damit erhebliche Einschränkungen verbunden waren. Seit den 1980er‑Jahren ist das Eiland nur noch von wenigen Laubenpächtern bewohnt.
Lindwerder. Ihr früherer Name war Liebesinsel. Lindwerder ist mit heute ungefähr 7000 Quadratmetern die kleinste Insel im Tegeler See. Sie war einst noch kleiner, nämlich nur 300 Quadratmeter. Für den Zuwachs sorgte die Firma Borsig, die in den 1930er-Jahren dort ihre Hochofenschlacke abkippte. Deshalb gilt Lindwerder noch immer als extrem schadstoffbelastet. Das Eiland ist normalerweise lediglich den Mitgliedern des Vereins der Wassersport- und Naturfreunde Lindwerder vorbehalten. In den 60er-Jahren war Lindwerder dagegen noch ein beliebtes Ziel für wildes Zelten. Und rund 30 Jahre zuvor soll dort angeblich der damals noch junge Raketenforscher Wernher von Braun seine ersten Tests durchgeführt haben. Daraus wurde zunächst das V1 und V2-Programm in der Nazizeit, nach dem Krieg in den USA das Apollo-Projekt, das 1969 mit der Landung der ersten Menschen auf dem Mond seinen Höhepunkt fand.
Scharfenberg. Die größte der Inseln ist vor allem durch die Schulfarm Insel Scharfenberg bekannt. Auch sie gehörte einst den Humboldts. Die Nachfahren verkauften das Eiland jedoch an den Botaniker Carl Bolle, dessen Nachfahren es 1909 an die Stadt Berlin veräußerten. Die Schulfarm-Idee geht auf den Pädagogen Wilhelm Blume zurück. Lernen auch in der Praxis, mit Werkstätten oder einem Landwirtschaftsbetrieb: das ist das Konzept bis heute. Rund 450 Schülerinnen und Schüler besuchen aktuell die Schulfarm.
Baumwerder. Die Insel ist seit Jahrzehnten ein wichtiger Trinkwasserlieferant. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts soll sich der damalige Erbpächter Christian Ludwig Möhring dort an einer Seidenraupenzucht und später an einer Zuckerrohrplantage versucht haben. Ernst Weber, ein späterer Besitzer, eröffnete 1909 eine Badeanstalt mit Schankbetrieb. Das Badevergnügen existierte nur kurz, denn es wurden „Personen in Badekostümen oder in teilweise anstößiger Kleidung“ ausgemacht. Danach wurde die Stadt Berlin Eigentümer und verpachtete einige Parzellen an Arbeiter aus dem Wedding. Parallel entdeckten Naturliebhaber die Insel und gründeten 1914 den Verein der Naturfreunde Baumwerder.
Die folgenden gut zwei Jahrzehnte gab es reges Treiben. Auch Tanz- und Musikveranstaltungen fanden statt. Das Orchester spielte nur mit Badehose bekleidet. Um 1934 wurden auf Baumwerder Holzlauben von insgesamt 325 Besitzern gezählt. Ein Restaurant war ebenfalls vorhanden. Das alles endete, als die Wasserbetriebe Anfang der 1940er-Jahre ihre Anlagen zur Trinkwassergewinnung auf der Insel installierten. Der Verein musste Baumwerder räumen. Seine Mitglieder bekamen ein Ersatzdomizil auf der Nachbarinsel Reiswerder.
Reiswerder. Ein Eiland sogar mit eigenem Rathaus und heute 115 Laubengrundstücken. Einst waren es mehr als doppelt so viele. Reiswerder ist vor allem im Sommer gut per Fähre zu erreichen. Auch eine Gaststätte befindet sich auf der Insel. Gewohnt wurde auf Reiswerder bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ab 1943 war sie Versteck für fünf verfolgte jüdische Menschen. 18 Monate lebten sie dort unerkannt, wurden dann aber von einem Spitzel verraten und zwei von ihnen in Auschwitz ermordet.
Ab den 1970er-Jahren wurde die Zahl der Parzellen aus Naturschutzgründen verkleinert. Mit dem Ergebnis, dass sich inzwischen viele Tierarten dort angesiedelt haben. Vögel, aber auch Wildschweine.
Maienwerder. Sie habe mehrfach versucht, jemanden vom Vorstand des Vereins Grüne Insel Maienwerder zu sprechen, um einen Fuß auf das Eiland setzen zu dürfen, aber es sei nicht geglückt, schreibt Christiane Flechtner. Schilder würden darauf hinweisen, dass das Betreten nur Pächtern und ihren Besuchern gestattet sei. Die heutige Insel bestand einst aus zwei Inseln. Sie wurden Anfang des 20. Jahrhunderts durch Bauschutt, Industriemüll sowie den Aushub beim Bau des Hohenzollernkanals miteinander verbunden. Auch dieses Eiland bot während der Nazizeit einem Verfolgten Schutz. Ab April 1944 versteckte sich dort der jüdische Arzt Georg Blumenthal. Bei Kriegsende flohen Soldaten nach Maienwerder.
Valentinswerder. Die zweitgrößte Insel im Tegeler See ist neben Scharfenberg die einzige mit dauerhaften Bewohnern. Dazu kommen zahlreiche Laubengrundstücke. Sie kann auch von Besuchern zwischen April und Oktober betreten werden, wenn es an den Wochenenden einen regelmäßigen Fährbetrieb gibt. Seit 1874 und bis heute ist Valentinswerder zum allergrößten Teil im Privatbesitz der Familie Haberkern.
Reiherwerder. Die heutige Halbinsel bestand einst aus zwei Inseln, die ab 1822 Wilhelm von Humboldt gehörten. Von dessen Nachfahren kaufte sie Ende des 19. Jahrhunderts der Unternehmer Ernst Borsig und ließ zwischen 1905 und 1908 das Sumpfgebiet trockenlegen. Borsig baute auch die 1913 eingeweihte Villa, die bis heute seinen Namen trägt.
Nach seinem Tod 1937 wurde Reiherwerder an das Reichsfinanzministerium verkauft. Die Villa war zunächst Standort der Reichsfinanzakademie und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg Amtssitz des französischen Stadtkommandanten. 1951 ging die Halbinsel in den Besitz der Bundesrepublik Deutschland über und wurde bis 2000 von der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer genutzt. Seit 2006 ist das Auswärtige Amt Hausherr. Die Villa Borsig dient als Gästehaus und als Akademie des Auswärtigen Dienstes. Für die Bevölkerung ist Reiherwerder normalerweise verschlossen – außer am Tag der offenen Tür.
Broschüre „Reif für die Insel“, 48 Seiten, Tourismusverein Berlin-Reinickendorf. Auslagestellen sind unter anderem am Info-Point in Alt-Tegel, in der Humboldt-Bibliothek, Karolinenstraße 19 und im Rathaus Reinickendorf, Eichborndamm 215. Nachzulesen, zu hören und zum Herunterladen steht sie im Internet auf http://reiffuerdieinseln.de/ bereit.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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