Broschüre erschienen
700. Geburtstag von Tegel: Vom Dorf zum Tor zur Welt
1322 wurde das Dorf "Tygel" zum ersten Mal urkundlich erwähnt und trat aus dem Dunkel der Geschichte heraus. Das Jubiläum hat der Tourismusverein Reinickendorf zum Anlass genommen, eine Broschüre "700 Jahre Tegel" herauszugeben.
Das Festprogramm zum Jubiläum soll zwar erst nach den Sommerferien richtig Fahrt aufnehmen. Mit der Broschüre kann man aber schon jetzt auf 52 Seiten und vielen Bildern die Ortsgeschichte Revue passieren lassen und nachvollziehen, wie aus einem Dorf ein Industriestandort und das Berliner Tor zur Welt wurde.
Wie alles begann. Besiedelt war die Gegend schon viele tausend Jahre. Aber erst 1322 wurde dies erstmals schriftlich bestätigt. Das Wort Tygel aus dem später Tegel wurde, hat wahrscheinlich einen slawischen Ursprung und bedeutet "Anhängsel". Es bezieht sich wiederum auf den Tegeler See als Anhängsel der Havel.
Das ursprüngliche Tegel bestand aus einer Dorfaue mit umliegenden Grundstücken und einer Kirche in der Mitte. Die wenigen Bewohner leben von Landwirtschaft, Fischfang, aber auch die Tegeler Wassermühle wird bereits im 14. Jahrhundert erwähnt.
Entbehrung statt Idylle. Über viele Jahrhunderte war das Leben hart und unsicher. Während des 30-jährigen Krieges wurde das Dorf mehrfach von verschiedenen Truppen heimgesucht. Um ihnen zu entgehen, versteckten sich Bewohner auf den Inseln im Tegeler See. 1637 kam es durch die Schweden zu Tod und Zerstörung. Weitere Besatzungen gab es im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) und nach dem Einmarsch der Truppen des französischen Kaisers Napoleon ab 1806.
Die bekanntesten Bewohner. Schloss Tegel ist das bedeutendste Baudenkmal des Bezirks Reinickendorf. Es entstand zwischen 1820 und 1824 nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel. Bereits seit Mitte des 16. Jahrhunderts befand sich an dieser Stelle zunächst ein Herrenhaus, später ein Jagdschloss. Es ging 1766 durch Heirat an die Familie von Humboldt. Deren bekannteste Vertreter, der Naturforscher Alexander von Humboldt (1769-1859) und der Gelehrte, Schriftsteller und Staatsmann Wilhelm von Humboldt (1767-1835) sind hier aufgewachsen. Wilhelm von Humboldt hat die Umgestaltung ab 1820 in Auftrag gegeben. Durch die Humboldts bekam auch Schloss Tegel einige Berühmtheit und immer wieder prominenten Besuch wie den Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832). Er stand, wie viele andere Gäste auch, an der "Dicken Marie", dem noch heute vorhandenen, wahrscheinlich ältesten Baum Berlins, der sich im Tegeler Schlosspark befindet.
Unter Dampf. Die Industrialisierung beginnt in Tegel Anfang des 19. Jahrhunderts. Erste Großbetriebe wie die Gießerei von Anton Franz Egells bauen Dampfmaschinen. Lehrling und später Mitarbeiter bei Egells war August Borsig. Er wurde der bekannteste Name der Tegeler Industriegeschichte. Die Söhne des Firmengründers verlegen 1894 ihr Unternehmen, das zunächst vor allem Lokomotiven, später auch Kessel für den Schiffbau oder Maschinen produzierte, von Moabit nach Tegel. Zwischen Tegeler See und der heutigen Berliner Straße entsteht ein riesiges Werksgelände, in dem 1910 knapp 5000 Menschen arbeiten. Außerdem wird ein Wohnquartier für die Beschäftigten gebaut, der heutige Ortsteil Borsigwalde. Das Werk war aber auch speziell in den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts eine Rüstungsschmiede. Die Fabrikhallen sind teilweise noch erhalten. Heute gibt es dort andere Gewerbe- und Büronutzungen und am bekanntesten die Hallen am Borsigturm.
Abheben und landen. Das Gelände im Süden des Ortsteils war einst Exerzierplatz, ab Ende der 1920er-Jahre Testgelände für Flugkörper. Während der Berlin-Blockade 1948 wurde in wenigen Wochen eine Start- und Landebahn gebaut. Es war die Geburtsstunde des Flughafens Tegel. Sein Name machte Tegel international bekannt. Der Flughafen ist inzwischen Geschichte. Entstehen soll jetzt die Urban Tech Republic mit Ansiedlungen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung und rund 5000 Wohnungen im Schumacher-Quartier. Derzeit befindet sich auf dem Gelände das Ankunftszentrum für Geflüchtete aus der Ukraine. Und im ehemaligen Terminal C befindet sich noch immer ein Corona-Impfzentrum.
Wohn- und Ausflugsort. Tegel ist seit 1920 ein Ortsteil des Bezirks Reinickendorf. Mehr als 36 000 Menschen leben aktuell dort. Als Wohnlage nah am Wasser ist Tegel beliebt und auch als Ausflugsziel. Der Tegeler Naherholung widmet die Broschüre deshalb ein eigenes Kapitel. Denn es können gerne noch mehr Gäste kommen. Der 700. Geburtstag bietet einen guten Anlass.
Übergangenes Bauwerk. Ein bekanntes Bauwerk des Ortsteils spart die Broschüre aus, die Justizvollzugsanstalt. Mit knapp 900 sogenannten Haftplätzen ist sie eine der größten Strafanstalten in Deutschland und hat den Namen Tegel schon vor mehr als 100 Jahren landesweit bekannt gemacht. Eröffnet 1898 als "Königliches Strafgefängnis Tegel" stehen der Gebäudekomplex an der Seidelstraße und seine Insassen für verschiedene Epochen deutscher Geschichte. Inhaftiert waren und sind hier Verbrecher unterschiedlichster Delikte vom Kleinkriminellen über Massenmörder bis zum Terroristen. Auch der als "Hauptmann von Köpenick" zu Ruhm gelangte Wilhelm Voigt saß Anfang des 20. Jahrhunderts hier ein. Während der Nazizeit waren die Täter außerhalb der Gefängnismauern und in den Zellen befanden sich ihre Opfer wie etwa die Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer und Helmuth James Graf von Moltke.
Die Broschüre ist in der Tourist-Info, am Eingang der Straße Alt-Tegel, in der Humboldt-Bibliothek, Karolinenstraße 19 sowie im Rathaus Reinickendorf, Eichborndamm 215, kostenlos erhältlich. Sie findet sich außerdem online unter www.700jahretegel.de.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.