Fotos dokumentieren die gewaltigen Veränderungen in Berlin
Bildband über Berlin von 1956 bis 1978

Jürgen Grothe erinnert sich gerne selbst mit Hilfe der eigenen Fotos. | Foto: Christian Schindler
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  • Jürgen Grothe erinnert sich gerne selbst mit Hilfe der eigenen Fotos.
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Der Fotograf und Stadthistoriker Jürgen Grothe hat ein Buch mit Fotografien aus dem Ost- und Westteil der Stadt aus den Jahren 1956 bis 1978 vorgelegt.

Der Spandauer Jürgen Grothe gehört zu den Menschen, die sich in Berlin besonders gut auskennen. 1980 wurde er Leiter des Bildarchivs des Landes Berlin in der Landesbildstelle, die heute Teil des Landesarchivs am Eichborndamm 115-121 ist. Wenn er nicht katalogisierte, was andere Fotografen aufgenommen hatten, war er selbst in der Stadt, und zwar in beiden Teilen, mit der Kamera unterwegs.

Seine jetzt vom Elsengold-Verlag vorgestellten Schätze stammen aus den Jahren 1956 bis 1978. Das ist auch der Zeitraum, in dem die Farbfotografie langsam die Schwarz-Weiß-Aufnahmen ablöst. Bei Grothe kommen die unterschiedlichen Techniken auch bei gleichen Themen zum Zuge. So steht eine gestochen scharfe Schwarz-Weiß-Aufnahme des Jazzmusikers Louis Armstrong neben einem Farbfoto vom 1965 noch stehenden Sportpalast in Schöneberg. Armstrong war dort am 11. Februar 1959 aufgetreten.

Viele Orte haben sich völlig verändert

Reinickendorf ist vor allem schwarz-weiß vertreten, und das hat seinen Grund darin, dass die von Grothe fotografierten Orte heute völlig anders aussehen, und gerade aktuell wieder im Wandel sind. Am 9. November 1969 fotografiert Grothe die Kreuzung Gorkistraße/Buddestraße. Der große Straßenraum ist leer, im Bildmittelpunkt beginnt eine Ladenzeile, die sich nach links in die Gorkistraße schiebt. Was heute als billiger Kiosk gelten würde, war die damals wohl sehr beliebte Eisdiele Bruhn.

Die Stelle, die 1969 wie ausgestorben wirkte, wurde später zum Standort des Tegel-Centers. Das ist jetzt auch schon wieder abgerissen, die Bauarbeiten für eine neuumrandete Fußgängerzone laufen auf Hochtouren – bei den Reinickendorfern durchaus umstritten.

Jerry-Cotton-Filme wurden
im Märkischen Viertel gedreht

Am 27. Juni 1969 richtete Grothe die Kamera auf ein gerade fertiggestelltes, in Höhe und Ausdehnung riesiges Wohnhochhaus am Wilhelmsruher Damm. Auf der Brachfläche davor weist eine Woolworth-Reklame auf die damals vermutlich einzige Einkaufsmöglichkeit hin. Es war die Zeit, als eine Filmproduktionsfirma den Schauspieler George Nader als Jerry Cotton über die halb fertigen Straßen des neuen Stadtteils Märkisches Viertel jagte, das zuvor fast nur aus Kleingartenkolonien bestand. Hochhausbauten mit einer Art Wüste davor ließen halt glaubhaft Gangsterjagden in Amerika imitieren.

Der Zeitraum der Fotos geht einher mit der Verschärfung der deutschen Teilung, die in Berlin mit dem Mauerbau besonders drastisch ausfiel. Der Spandauer Jürgen Grothe dokumentiert sie auch am Stadtrand. Am 1. Mai 1965 postiert er sich am Nennhauser Damm in Staaken, wo ein West-Berliner Polizist neben seinem VW-Käfer steht und durchs Fernglas über die Grenzsperranlagen neben der Dorfkirche Staaken blickt.

Ein Farbbild aus demselben Jahr zeigt ein nur noch für ältere Spandauer vertrautes Motiv. Die Nikolaikirche hat noch die der Bombardierung im zweiten Weltkrieg geschuldete provisorische Turmbedachung, und vor ihr fährt auf der Carl-Schurz-Straße eine Straßenbahn.

Das Buch „Berlin – Fotografien aus Ost und West 1956 – 1978“ ist erschienen im Elsengold-Verlag Berlin (ISBN 978-3-96201-028-7), hat 231 reich bebilderte Seiten und kostet 36 Euro.

Autor:

Christian Schindler aus Reinickendorf

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