Kommen Sie mit am 22. Juli
Stadtführung zu den Humboldts nach Tegel
Zu meinem 211. monatlichen Spaziergang lade ich Sie nach Tegel ein. Das Humboldtschloss, unweit des Wohngebiets Tegeler Hafen, ist das bedeutendste Bauwerk des Bezirks Reinickendorf. Der weiße Bau beeindruckt mit zurückhaltender, klar gegliederter Fassade. K. F. Schinkel erneuerte ihn 1820 bis 1824 als Alterssitz für Wilhelm von Humboldt und Ehefrau Caroline von Humboldt-Dacheröden.
Unterhalb der Pyramidendächer der vier Ecktürme ließ er Reliefs der acht Windgötter anbringen. Nach den antiken Originalen am Turm der Winde in Athen fertigte die Werkstatt C. D. Rauchs Kopien an: Sie zeigen ältere Männer wie Jünglinge. Vor Jahren wurde sogar ein Autotyp (Bora) nach dem Gott des Nordwinds benannt. Alles blieb erhalten, gehört den Nachfahren, ist bis heute bewohnt. Wer bei privaten Führungen der Eigentümer die zugänglichen Arbeitsräume der Erstbewohner, die Studiensäle mit Kopien antiker Plastiken, originalen Möbeln und die Bibliothek betritt, kann den Hauch von Geschichte, Wissenschaft und Kunst jener Zeit erspüren. Der Berliner Kachelofen, erfunden von Schinkels Freund, Unternehmer Tobias Feilner, weiß glasiert seriell gefertigt, zeigt Ressourcen sparendes Biedermeier-High tech, beginnende Industrialisierung Preußens.
Lebenslange Verbindung
Gleichzeitig weist das Interieur auf lebenslange Verbindung des Ehepaares mit der Weimarer Klassik, auch von Bruder Alexander, dem Naturwissenschaftler. Wilhelm trug in seinem politischen Wirken für Preußen, darunter die Gründung von Berlins Universität, neue bürgerliche Gedanken in die Welt, weit über die genialen weimarischen Dichterkreise hinaus. Auch privat: In Göttinger Studienzeit traf Wilhelm im kurmainzischen Erfurt die ein Jahr ältere Caroline von Dacheröden, verlobte sich während eines Balls 1789 heimlich mit ihr, der Tochter des Erfurter Akademiepräsidenten Karl Friedrich von Dacheröden. Haus Dacheröden war und ist bis heute lebendiger Kulturort Erfurts. Auch Goethe war Gast. Im selben Jahr 1789 feierte Carolines enge Freundin Charlotte von Lengefeld im Haus offizielle Verlobung mit dem sieben Jahre älteren berühmten Friedrich Schiller. Im Juni 1791 heirateten dort Wilhelm und Caroline - wie es hieß - mit großer Gesellschaft. Später wohnte das bald vielgereiste Ehepaar in Jena nahe den befreundeten Schillers. Lebenslang führten sie eine offene Ehe mit vielen Freiheiten. Caroline lebte trotz acht Kindern ihre kulturellen Interessen aus, reiste nach Rom, traf sich mit Künstlern, war zeitlebens ebenbürtige Partnerin.
Im Tegeler Parks kann man schon von fern einen Obelisken bewundern, gekrönt von der Figur der Spes, römische Gottheit der Hoffnung, geschaffen von Berthel Thorwaldsen. Schinkel schuf hier eine stille Gedenkstätte für die 1829 verstorbene Caroline, später ein Campo Santo, Familiengrabstätte der Humboldts.
Das zweitwichtigste Humboldt-Gebäude Tegels ist die Stadtbibliothek an der Karolinenstraße, ein imposanter Hallenbau im Stil der Postmoderne, entstanden Ende der 80er-Jahre. Berlin konnte sich zu jener Zeit nicht nur eine supermoderne Magnetbahn leisten, sondern begann mit der Internationalen Bauausstellung 1987 die „Behutsame Stadterneuerung“ unter sozialen Vorgaben und den Neubau-Schwerpunkt „Kritische Rekonstruktion“.
Villenbau voranbringen
Das Büro des US-amerikanischen Architekten Charles Willard Moore hatte die Tegel-Planung gewonnen, baute außer der Bibliothek noch eine Reihe Wohngebäude im Areal. Schon Schlossbesitzerin Constanze von Heinz, Enkelin Humboldts, hatte um 1870 begonnen, wassernahe Partien des Schlossbezirks zu parzellieren und so den Villenbau und solche Bauten wie Kaiserpavillon und Kurhaus voranzubringen, auch Anregung für die postmoderne Bebauung beidseitiger Uferpartien wie der Inseln im Hafenbereich. 1955 waren die meisten der in Gründerzeiten angelegten kurzen Wohnstraßen nach Humboldt-Verwandten und -Zeitgenossen benannt worden. Humboldtmühle und Humboldtinsel, diverse Brücken und Brückchen über Tegeler Fließ und Panke-Abzweig Nordgraben, natürlich die Bibliothek, führen „Humboldt'sche Namensdichte“ in die Gegenwart fort. Wussten Sie, dass die 1908 erbaute rote „Sechserbrücke“ an der Hafeneinfahrt jeweils zur Hälfte von der Gemeinde und der langjährigen Schlossherrin finanziert worden ist? Vom Tegeler Meilenstein, der originalen ohne erhaltene Zeichen, 1992 restaurierten Postsäule an der Gabrielenstraße rechnet man zwei Preußische Meilen (d.h. 2 x 7532,484 Meter) bis Preußens Postmeile Null, Dönhoffplatz.
Namensgeber für Straßen und Schulen
In Berlin-Mitte gibt es auch den zuerst nach Humboldt benannten Ort, nämlich den 1850 in heutiger Nähe des Hauptbahnhofs angelegten Hafen. Becken und Kanal-Ostufer Richtung Spandau heißen seit 1856 nach Bruder Alexander, dem weltberühmten Naturforscher, dessen Namen sogar eine kalte pazifische Meeresströmung vor der Küste Chiles und Perus trägt. Die Sitzfiguren der beiden Humboldts sind Unter den Linden 1883 vor dem Ehrenhof des Hauptgebäudes der Universität aufgestellt worden, die 1946 auch ihren Namen bekam. Wilhelm sitzt auf der Westseite, doch die weiter westlich gelegene Wilhelmstraße wurde nicht nach ihm benannt, sondern schon 1740 nach Friedrich Wilhelm I., dem Soldatenkönig. Auch der östlich gelegene Alexanderplatz bekam seinen Namen nicht vom rechts sitzenden jüngeren Bruder, sondern schon 1806 nach dem russischen Kaiser, Zar Alexander dem Ersten, 1818 auch die Alexanderstraße nach demselben. Nach den Humboldts sind außer dem barocken Neubau des Humboldt Forums auch viele Schulen benannt worden. Und die Bark „Alexander von Humboldt II.“ trägt mit ihren grünen Segeln den Namen von „Amerikas zweitem Entdecker“ über den Atlantischen Ozean.
Der Spaziergang beginnt am Sonnabend, 22 Juli, 11 Uhr. Treff: Meilenstein Tegel An der Mühle/Ecke Gabrielenstraße. ÖPNV: S25 bis S-Bhf Tegel, Bus 133 bis An der Mühle oder U 6 bis Alt-Tegel Bus 133 bis An der Mühle. Entsprechend der Absprache mit den Eigentümern ist nur die Außenbesichtigung des Schlosses von der Ostseite möglich, so dass der Schwerpunkt der Stadtführung im Hafengebiet einschließlich des Besuchs der Humboldt-Bibliothek liegt.
Die Führung ist für Leser der Berliner Woche und des Spandauer Volksblattes kostenlos. Allerdings ist eine Anmeldung erforderlich: Am Montag, 17. Juli, in der Zeit von 10 bis 12 Uhr anrufen unter der Telefonnummer 030/887 27 73 02.
Die Tour wiederhole ich an gleicher Stelle am Sonnabend, 29. Juli, 14 Uhr bei Meyers Stadtgängen (Kosten pro Person neun Euro, ermäßigt sieben Euro). Anmeldung hierfür unter der Telefonnummer 030/442 32 31).
Autor:Bernd S. Meyer aus Mitte |
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