Wieviel Kunst ist erlaubt: Streit um neues Fassadenbild
Tegel. Was kann Kunst, was darf Kunst? Darüber streiten die Menschen wohl, seit es den Begriff gibt. Auch in Tegel-Süd ist jetzt eine Debatte entbrannt – ums 42 Meter hohe Fassadenbild des spanischen Künstlers Borondo in der Neheimer Straße 8. Anwohner protestieren mit Unterschriften.
Düster und brutal sei das Bild. Wie ein Szenario aus einem Horrorfilm. „So etwas hat in einem Wohngebiet nichts zu suchen“, sagt Felix Schönebeck. Der Chef der Kiezinitiative „I love Tegel“ ärgert sich nicht allein übers neue Wandkunstwerk; erheblichen Unmut gebe es in der Nachbarschaft, erzählt Schönebeck, der mit vielen Anwohnern gesprochen hat. „Bei allem Verständnis für Kunst – gleich nebenan gibt‘s eine Kita, da ist das Motiv einfach fehl am Platz.“
In der Tat hat Streetart-Künstler Borondo für sein Tegeler Fassadenbild kein leicht verdauliches Sujet gewählt. Zu sehen ist ein Mädchen, das in einer Blutlache steht. Die Kleine schaut in einen mit dunklen Wolken behangenen Wald und auf eine fast nackte Figur, die von etlichen Pfeilen durchbohrt quasi an einen Baum gespießt worden ist.
„Die Interpretation seiner Werke überlässt Borondo grundsätzlich dem Betrachter – aber natürlich ist offensichtlich, dass er sich hier des Flüchtlingsthemas angenommen hat“, erklärt Volker Hartig, Sprecher der Gewobag. Mit seinem Netzwerk „Urban Nation“ ist das Wohnungsunternehmen Auftraggeber der Fassadengestaltung – und als solcher erster Adressat der Anwohnerkritik. „Es liegt in der Natur der Kunst, dass sie Diskussionen anstoßen soll“, sagt Hartig dazu. „Sie soll auch ermutigen, sich mit neuen, umstrittenen Themen auseinanderzusetzen.“ Der Gewobag-Sprecher verweist zudem auf eine optimistische Interpretationsvariante. So vermittle das Bild durchaus Hoffnung, weil das blutende Mädchen einen Menschen sehe, der – obwohl von Pfeilen getroffen – aufrecht stehe und stark sei. Borondo selbst interpretiere die Person als Analogie zum Heiligen Sebastian, der die Pfeil-Attacke überlebt habe.
Felix Schönebeck und der CDU-Wahlkreiskandidat Stephan Schmidt, der sich in die Debatte eingeschaltet hat, legen keinen Wert auf Interpretationen. „Das Kunstprojekt soll die Wohngegend aufwerten“, sagt Schmidt. „Das schafft dieses Bild nicht.“ Hauptkritik in Richtung Gewobag: „Man hätte das Ganze vorab mit den Anwohnern abstimmen können. Die fühlen sich jetzt überrumpelt, und ich kann das verstehen.“
Reden will die Gewobag mit den Mietern - allerdings erst, wenn das Gesamtprojekt fertig gestellt ist. Der so genannte „Artpark Tegel“ umfasst insgesamt sieben Fassadenbilder im Wohngebiet, fünf sind bereits vollendet. Zuletzt hatten die Niederländer Collin van der Slujis und Super A die Rückwand der Neheimer Straße 6 mit einem überdimensionalen Star verziert. Das Vogelbild hatte seitens der Nachbarschaft viel Lob geerntet. „Es ist aber erwartbar, dass nicht immer alle Werke allen Betrachtern gleich gut gefallen“, so Volker Hartig.
Ob sich die Anwohner von diesem Argument überzeugen lassen, ist fraglich. Felix Schönebeck und Stephan Schmidt haben eine Unterschriften-Aktion gegen das Borondo-Kunstwerk gestartet. bm
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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