Zwei Regierende blicken zurück und nach vorn
Ein Abend mit Klaus Wowereit und Eberhard Diepgen

Dirk Steffel, Klaus Wowereit, Detlef Dzembritzki, Frank Henkel und Eberhard Diepgen (von links). | Foto:  Thomas Frey
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  • Dirk Steffel, Klaus Wowereit, Detlef Dzembritzki, Frank Henkel und Eberhard Diepgen (von links).
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Zusammengezählt haben sie mehr als 28 Jahre die Stadt regiert. Klaus Wowereit (SPD) war 2001 bis 2014 Bürgermeister, länger als jeder andere am Stück. An Amtsjahren übertroffen wurde er nur von Eberhard Diepgen (CDU). Dessen Ära war zweigeteilt, zunächst von 1984 bis 1989, dann zwischen 1991 und 2001.

Klaus Wowereit ist heute 70, Eberhard Diepgen 82. Zwei, die inzwischen selten in der Öffentlichkeit auftauchen. Und erst recht nicht als Duo. Deshalb war ihr Auftritt beim "Tegeler Gespräch" am 24. Januar eine Besonderheit.

Beim Tegeler Gespräch handelt es sich um einen Verein, der seit 25 Jahren Veranstaltungen mit prominenten Zeitgenossen organisiert. Der Abend mit Wowereit und Diepgen war gleichzeitig das 70. Tegeler Gespräch. Rund 250 Besucher kamen in die Tegeler Seeterrassen.

Viele Verbindungen

Kopf des Vereins ist Bezirkspolitiker Dirk Steffel, der 2021 aus der CDU austrat und sich den Freien Wählern anschloss. Dirk Steffel ist wiederum der Bruder des einstigen Reinickendorfer CDU-Bundestagsabgeordneten Frank Steffel. Der war 2001 Gegenkandidat von Klaus Wowereit. Für persönliche Beziehungen zu den beiden Hauptpersonen stand auch Detlef Dzembritzki (80). Der war nicht nur von 1989 bis 1995 Reinickendorfer Bürgermeister und später Bundestagsabgeordneter, sondern 1994 bis 1999 Landesvorsitzender der SPD. Also in der Zeit, als Diepgen regierte. Dzembritzki ist heute Mitglied des Beirats von "Tegeler Gespräch e.V.".

Das Gespräch mit den Ex-Regierenden moderierte Frank Henkel (60). Er war einst Büroleiter von Eberhard Diepgen. Danach unter anderem CDU-Generalsekretär und Landesvorsitzender der Partei. Und schließlich zwischen 2011 und 2016 Innensenator, die ersten drei Jahre davon unter Klaus Wowereit.

Demokratie täglich neu erkämpfen

Bestandsaufnahme. Eberhard Diepgen wurde beim Bewerten der aktuellen Lage emotional. Die Entwicklung der Demokratie mache ihn "sehr pessimistisch". In Deutschland könne das Aufsplitten der Parteienlandschaft zum Verhindern regierungsfähiger Mehrheiten führen. Es gebe auch zu viel Egoismus statt Gemeinsinn. Deshalb brauche es Politiker, die die Probleme ansprechen. Aber die hätten eher "Schiss" davor.

Auch Klaus Wowereit verlangte "Mut zu unpopulären Entscheidungen". Vor allem die Stärke der AfD treibe ihn um. Dass die Demokratie in Frage gestellt werden könne, habe er sich nicht vorstellen können. Aber Demokratie könne man nicht anordnen, sie müsse tagtäglich neu erkämpft werden. Wowereit vermisst auch etwas mehr Stolz auf das Erreichte. Noch immer würde es den meisten Menschen doch ganz gut gehen.

Probleme in der Amtszeit

Eberhard Diepgens zweite Regierungsphase fiel in die Jahre nach der Wiedervereinigung. Wie Berlin trotz großer Schwierigkeiten von der Bundesregierung finanziell behandelt, sprich, mit zu wenig Geld ausgestattet wurde, regt ihn heute noch auf. Bei der Bundesregierung handelte es sich um die CDU/FDP-Koalition unter Kanzler Helmut Kohl. Im Jahr 2000 verhalf Diepgen der inzwischen regierenden rot-grünen Koalition von Gerhard Schröder (SPD) im Bundesrat zur ihrer Mehrheit für eine Steuerreform. Das Ja habe Berlin damals vier Milliarden Mark zusätzlich eingebracht, offenbarte er beim Tegeler Gespräch. Mit dem Geld sei zum Beispiel das Olympiastadion für die Fußball-WM 2006 saniert worden.

Geld war auch ein Hauptthema in der Amtszeit von Klaus Wowereit. Eine rigide Finanzpolitik hält er auch heute noch für geboten. Was als Sondervermögen tituliert werde, seien in Wahrheit Schulden, vor allem zu Lasten künftiger Generationen. Einen Fehler in diesem Zusammenhang räumte er aber ein. Der Verkauf vieler landeseigener Wohnungen wäre aus heutiger Sicht betrachtet falsch gewesen. Die Situation sei damals aber eine andere gewesen. In der Stadt habe es 150 000 leerstehende Wohnungen gegeben.

Pro und Contra

Einen Disput gab es zwischen den Herren nicht. Höchstens vielleicht den einen oder anderen verbalen Rempler. Etwa als Diepgen anmerkte, es sei, gemeint wohl in der Ära Wowereit, lange nicht an eine positivere Entwicklung Berlins geglaubt worden. Uneinig waren sie sich auch ausgerechnet in der Bewertung von Sahra Wagenknecht. Wer die wähle, "tut mir leid", befand Klaus Wowereit. Diepgen fand die Frau zumindest interessant.

Grundsätzlich gab es aber viel Einigkeit, wenngleich manchmal in unterschiedlicher Tonlage. Eine erneute Olympiabewerbung? Grundsätzlich Ja, aber mit Berücksichtigung mancher Schwierigkeiten und dem Wissen, mit wem man es, etwa im Internationalen Olympischen Komitee zu tun bekomme. Und es müsse ein Mehrwert für die Stadt herauskommen.

Randbebauung des Tempelhofer Felds? Immer noch eine gute Idee. Und das Ergebnis eines Volksentscheids lasse sich sogar allein durch ein neues Gesetz ändern, befand Eberhard Diepgen. Selbst beim lokalpolitische interessantesten Thema, dem Ende für den Flughafen Tegel, gab es keinen Disput. Er wurde auch in beider Amtszeiten auf den Weg gebracht.

Ihr heutiges Leben. Eberhard Diepgen hat noch immer Ämter. Unionhilfswerk, Käthe-Kollwitz-Museum, Stresemann-Stiftung, Ernst-Reuter-Stiftung, zählte er auf. Nach dem Ende seiner politischen Laufbahn habe er als Anwalt gearbeitet. Er werde jetzt aber nach und nach kürzer treten.

Klaus Wowereit hat sich schneller von öffentlichen Aufgaben verabschiedet. Er spielt inzwischen regelmäßig Golf. Anfragen, die ihm keinen Spaß machen, könne er heute absagen, befand Wowereit. Die zum Tegeler Gespräch scheint er nicht als Spaßbremse aufgefasst zu haben.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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