Bilanz nach zwei Jahren Betrieb
Im Ukraine-Ankunftszentrum wurden bisher 116 000 Geflüchtete erfasst und versorgt
Am 20. März 2022 wurde das Ukraine-Ankunftszentrum auf dem ehemaligen Flughafen Tegel eröffnet. Zunächst sollte es nur eine temporäre Einrichtung sein. Schnell stellt sich aber heraus: Das war zu optimistisch gedacht.
Wie lange das Ankunftszentrum noch benötigt wird, weiß derzeit niemand. Mehrmals wurde schon der Betrieb verlängert und die Kapazitäten ausgebaut. Zudem hat es schon lange den Status einer Erstaufnahmeeinrichtung hinter sich gelassen. Vielmehr leben dort Tausende von Menschen über Wochen oder sogar Monate.
Der als Drehkreuz für die Erstaufnahme und koordinierte Weiterleitung von Geflüchteten aufgebaute Komplex habe sich innerhalb von zwei Jahren zu einer der größten Notunterkünfte Deutschlands entwickelt. Betrieben wird es im Auftrag des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) und unter Federführung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) vor allem vom Arbeiter-Samariter-Bund, der Johanniter-Unfall-Hilfe und dem Malteser Hilfsdienst.
Zum zweiten Jahrestag des Ankunftszentrums legte das LAF eine Bilanz vor. Seit der Eröffnung seien rund 116 000 Menschen erfasst, erstbetreut und versorgt worden. Rund 84 000 von ihnen hätten Aufnahme in Berlin gefunden, 32 000 wären in andere Bundesländer weitergeleitet worden. Neben geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern werden auch Asylsuchende aus anderen Herkunftsländern in Tegel untergebracht und betreut. Ihre Zahl allein für die vergangenen Monate gibt das LAF mit 10 600 an. Seit Beginn gehört auch eine Arztpraxis zum Ankunftszentrum. Dort sind seit März 2022 rund 18 500 Personen behandelt worden.
Die nach und nach ausgeweiteten Unterkünfte bieten Platz für ungefähr 6500 Menschen. Aktuell seien etwa 3800 mit Geflüchteten aus der Ukraine belegt, weitere 600 mit Asylbewerbern. Der Rest stehe als Reserve zur Verfügung.
Die Unterbringung häufig in Leichtbauhallen, die hohe Zahl an Flüchtlingen an einem Ort, überhaupt die gesamte Situation wird immer wieder kritisiert. Zuletzt durch den Brand in einer der Leichtbau-Unterkünfte am 12. März wurde die Kritik noch einmal befeuert.
Das „Netzwerk Reinickendorf aktiv für Demokratie und Vielfalt“ fordert unter anderem eine „dezentrale, menschenwürdige Unterbringung in Wohnung, sofortigen Zugang zu Mobilität und medizinischer Versorgung und eine zeitnahe, dezentrale Einschulung in regulären Schulen“. Am 21. März hatte das Netzwerk zu einer Lichterkette aufgerufen. Sie fand allerdings nicht in Tegel, sondern vor dem Ankunftszentrum auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik statt.
Auf eine große Anfrage der Grünen-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 13. März teilte das Bezirksamt mit, dass sich Ende Februar dieses Jahres 1023 Minderjährige unter 18 Jahren in dem Ankunftszentrum befanden. Nur 45 von ihnen erhielten bisher Unterricht in Lerngruppen. Dabei gelte in Deutschland die Schulpflicht, erinnerte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Hinrich Westerkamp. Die Kinder zu beschulen, ist eine Aufgabe, die auch der Bezirk Reinickendorf bewältigen muss. Er hat dafür aber nur eingeschränkte Kapazitäten und kann das nicht allein bewerkstelligen.
Die Hilfsorganisationen verweisen wiederum auf ihre ständig erweiterten Angebote. Vier Leichtbauhallen stehen allein für Sportaktivitäten zur Verfügung. Zwei weitere Hallen sowie eine Containeranlage würden als Freizeitstätten sowie für das Bildungsprogramm genutzt. Dabei werde mit Partnern wie Union Berlin, ALBA Berlin und dem Landessportbund bis zu GESUfit Berlin, Outreach oder der Iranischen Gemeinde in Deutschland zusammengearbeitet.
Ihre Hilfe wird das Ankunftszentrum wohl noch eine Weile benötigen. Allein in diesem Monat hätten sich täglich durchschnittlich 70 Geflüchtete gemeldet, heißt es vom LAF. „Die Fluchtbewegung aus der Ukraine hält weiter an“.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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