Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel zu Gast bei Tegeler CDU
„Vegetarier in einer Welt der Fleischesser“
Beim 62. Tegeler Gespräch der CDU Tegel am 11. Februar begeisterte der ehemalige SPD-Vorsitzende und Außenminister Sigmar Gabriel rund 300 Besucher.
Eigentlich war die Rede nur ein Ersatztermin. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel hatte Gabriel zu seinem traditionellen Neujahrsempfang in Frohnau eingeladen. Wegen einer heftigen Erkältung musste dieser absagen und verband die kurzfristige Entschuldigung gleich mit einer Zusage für das Tegeler Gespräch, zu dem die örtliche CDU, mit Steffels Bruder Dirk an der Spitze, seit mittlerweile 21 Jahren regelmäßig hochkarätige Gäste lädt.
Der Zuspruch der Interessenten war so groß, dass die Veranstaltung von den ursprünglich gebuchten Tegeler Seeterrassen ins benachbarte Palais am See umziehen musste. Dort war dann zu erleben, wie spannend Politik sein kann, ohne dass sich Menschen anbrüllen müssen. Frank Steffel stellte mit Blick auf die ungeklärte politische Situation in Thüringen und unter viel Beifall fest, dass es keine Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD geben könne. Völkische Politiker und Holocaust-Verharmloser seien keine Partner der CDU. Dasselbe gelte aber auch für die Linkspartei, in der immer noch die Verleugnung der DDR als Unrechtsstaat weit verbreitet sei.
Morddrohungen,
Beschimpfungen, Polizeischutz
Steffel beklagte die Verrohung der politischen Auseinandersetzung, die dazu führte, dass der mit den AfD-Stimmen kurzzeitig zum Thüringer Ministerpräsidenten gewählte FDP-Politiker Thomas Kemmerich Morddrohungen erhalte und seine Kinder nur unter Polizeischutz in die Schule gehen könnten. Das sei auch die Folge einer Atmosphäre, in der ein Berliner Gericht übelste Beschimpfungen der Grünen-Politikerin Renate Künast als hinzunehmende politische Kritik gewertet hatte.
Gabriel nahm dieses Thema auf und riet zugleich zu Gelassenheit: „Wenn man abends ins Internet geht, liest man meist anonymisierte Hetze über politisch Andersdenkende und denkt, dieses Land sei ein einziges Chaos. Geht man dann morgens auf die Straße, sieht man freundliche normale Menschen, die zur Arbeit gehen und sich um ihre Familie kümmern.“ Die Hetzer und Hassredner machten höchstens zehn bis fünfzehn Prozent der Bevölkerung aus.
Gabriel spricht über die künftige Rolle der USA, Russlands und Chinas
Das eigentliche Thema Gabriels war dann die globale Situation. Er versucht sich vorzustellen, in welcher Welt seine mittlere Tochter leben wird, wenn sie in zehn Jahren volljährig wird. Auch ohne den Präsidenten Donald Trump werden sich nach seiner Prognose die USA weiter aus der Rolle des Weltpolizisten zurückziehen, während Russland mit seiner schwachen Wirtschaft weiter auf militärische Macht setzen und China seinen Einfluss gerade mit wirtschaftlicher Stärke ausbauen wird.
Gabriel mahnte, dass die Europäer ihre Interessen definieren und auch durchsetzen müssten, sonst seien sie „Vegetarier in einer Welt der Fleischesser“. Und noch schwächer würden sie, wenn sie sich dann zu Veganern weiter entwickelten. Als konkretes Beispiel nannte Gabriel den Umgang mit Ägypten. Das würde gerne deutsche Radpanzer kaufen, was hierzulande angesichts des autoritären Regimes auf wenig Gegenliebe stößt. Doch Ägypten brauche diese Waffen weniger zur Unterdrückung einer Demokratiebewegung als vielmehr zur Sicherung einer extrem langen Grenze zu Libyen, aus dessen noch zu Zeiten des gestürzten Diktators Muammar al-Gaddafi angelegten Depots in großem Maße Waffen an islamistische Terrororganisationen in Afrika geschmuggelt würden. Der Beifall der Zuhörer galt dann auch einem Politiker, der nicht nur konträre Interessenlagen nachdenklich beschrieb, sondern auch ohne Rücksicht auf Parteipolitik sprach.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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