Spaziergänge von Adolf Heilborn neu aufgelegt
Napoleon war enttäuscht. Er wusste von dem Tegeler Spuk, den Deutschlands Nationaldichter Goethe durch die Walpurgisnacht seines Faust geistern lässt. Der französische Imperator wollte es genau wissen und schickte seinen Berliner Gesandten Laforest nach Tegel. Doch der fand nur das Schloss der Humboldts, von zwielichtigen Geistern keine Spur. Der Tegeler Spuk blieb auch für Napoleon ein Rätsel.
So berichtet es Adolf Heilborn in seinem Buch "Die Reise nach Berlin". 1912 war es erstmals als Serie in der Berliner Morgenpost erschienen, 1925 als Buch. Heilborn hatte da schon einen Namen.
Ursprünglich Arzt, fand der 1873 Geborene seine Berufung darin, wissenschaftliche Phänomene populärwissenschaftlich zu verbreiten. Er veröffentlichte in Zeitschriften, und er übersetzte französische Literatur. Als Bewohner Berlins sah er sich, ähnlich wie Franz Hessel, als Flaneur, der aus alltäglichen Beobachtungen Schlüsse auf Gesellschaft und Geschichte zog. Er sah seine Heimat im Umbruch - von der gemütlichen Residenzstadt zur Metropole, vom kleinteiligen Wirtschaften zur Industrie.
Und er war belesen: In Tegel macht er sich nicht nur über Goethes Spuk-Fantasien lustig, sondern auch über den Dichterkreis um Emil Jacobsen, der am Tegeler See einen Reimsalon unterhielt. Dann charakterisierte er den Tegeler See: Er habe etwas Zerrissenes, Unausgeglichenes.
Im Dunkeln liegt das Schicksal des Autors selbst. Kurt Pomplun, renommierter Berliner Stadthistoriker, spricht 1966 davon, dass sich der jüdischstämmige Heilborn 1941 selbst das Leben genommen habe. Seine Krankenakte aus dem Wilmersdorfer St. Gertrauden-Krankenhaus verzeichnet als Ursache für seinen Tod am 15. Oktober 1941 unter anderem einen Lungentumor, Abmagerung sowie Herz- und Kreislaufversagen.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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