Lange Schlange und Reiseeindrücke vom Terminal C
Beim Impftag am 5. Juli im alten Flughafen Tegel erhielten in zwei Stunden 1000 Personen ihren Piks
Meine erste Impfung hatte ich am Sonnabend vor Pfingsten in Tempelhof. Sie sollte um 10.40 Uhr stattfinden. Ich war etwas früher dort und zum eigentlich angesetzten Termin schon wieder fertig. Kaum ein Dutzend Impflinge befand sich zur selben Zeit vor Ort.
Die zweite Impfung gab es am 5. Juli in Tegel. Wieder war ich rechtzeitig da. Diesmal dauerte es aber fast zwei Stunden bis zum Setzen der Spritze. Es war ein völlig anderes Bild. Hunderte Menschen stauten sich in zwei riesigen Schlangen vor dem Terminal C. Eine für Biontech, eine für Moderna. Die Szenerie vor dem einstigen Abfluggebäude erinnerte an frühere Spitzentage in der Sommerreisezeit.
Die Situation überrascht natürlich die meisten. Schon vor einer Stunde wäre eigentlich ihr Termin gewesen, erzählte eine Frau in der Reihe. Ein Mann gab via Handy einen Lagebericht. "Ich stehe noch hinter dem Parkplatz. Es wird wohl länger dauern."
Auch Erklärungsversuche für den Massenauflauf wurden geliefert. Noch am Morgen wären Termine im Internet angeboten worden, wusste jemand. Außerdem seien für den Andrang auch "die Medien" verantwortlich, wie auch für die Warnungen vor der Delta-Variante.
Wohlmeinende Erklärungen für das Schlangestehen vor dem Impfzentrum gab es aber auch. Die Impfkampagne in Berlin funktioniere, fand ein ebenfalls direkt Betroffener. Anders als noch immer in anderen Bundesländern. In Brandenburg, so habe er erfahren, hätten selbst mache über 80-Jährige noch immer keinen vollständigen Schutz.
Wurden Imfptermine womöglich überbucht?
Möglichst viele Menschen jetzt möglichst schnell zu schützen, schien ein Hauptgrund für den Stau vor dem Impfzentrum zu sein. Und anders als noch Ende Mai ist derzeit genügend Impfstoff vorhanden. Weil zuletzt häufig Termine nicht wahrgenommen wurden, wird mittlerweile anscheinend auch "überbucht". Zwei Stunden wäre natürlich zu lang, sagte später ein Mitarbeiter. Die erhöhte Nachfrage gäbe es aber bereits seit einigen Tagen. Allein in den ersten zwei Stunden, so war zu hören, sind an diesem 5. Juli in Tegel rund 1000 Personen geimpft worden. Bis zum Ende des Tages sollten es ungefähr 3000 sein.
Bis die aber jeweils dran waren, dauerte es. Nur in Etappen bewegten sich die Schlangen vorwärts. Entlang der Straße vor dem Terminal, im Zick-Zack durch ein Zelt, dann entlang des Hangar-Eingangs. Und immer unterteilt in Moderna und Biontech, worauf zahlreiche Helfer verwiesen. Irgendwann ging es ins Innere des Gebäudes, Pass und QR-Code zeigen, Unterlagen abgeben. Weiter wandern. Wieder warten.
Es blieb viel Zeit, um sich zum Beispiel die anderen Impflinge anzuschauen. Die Altersgruppe der über 40- bis um die 70-Jährigen schien das Gros zu stellen. Einige Jüngere waren auch dabei und Frauen und Männer insgesamt ungefähr gleich stark vertreten. Menschen im Rollstuhl oder anderen Beinträchtigungen erhielten Vorrang und mussten sich nicht anstellen.
Die meisten absolvierten die lange Tour schweigend, was schon an den Masken lag. Viele spielten mit ihren Handys, einige hatten sich Lektüre mitgebracht. Eine Frau vertiefte sich in eine Immobilien-Broschüre, eine andere in ein Buch über gesunde Gemüsezubereitung.
Es blieb auch Zeit, aktuelle Eindrücke von Tegel einzufangen. An einer Stelle ist die Mauer zum frühgeren Flugfeld inzwischen verschwunden. Es finden sich auch noch ein paar Überbleibsel der einstigen Funktion wie Signets, die auf barrierefreie Zugänge für Fluggäste verweisen. "Bitte warten Sie hier, bis Ihr Taxi vorfährt", steht auf einem Schild am Eingang von Terminal C. Es ist nicht für die aktuellen Nutzer gedacht. Ebenso wenig wie ein Plakat im Innern des Gebäudes. "Ihr Einkauf darf als zusätzliches Handgepäck mit an Bord", warb es einst für Shopping vor dem Einstieg in den Flieger.
Ansonsten erinnert kaum noch etwas an die frühere Bestimmung. Statt Check-In und Boarding-Bereiche gibt es jetzt viele Schalter für das bürokratische Prozedere vor dem Piks und mehr als 50 Impfkabinen. Wer es bis dahin geschafft hat, ist nicht nur endlich am Ziel, sondern auch schnell fertig. Das eigentliche Impfen dauert nur wenige Minuten.
"Gratuliere zur zweiten Impfung", sagte der Arzt, nachdem er die Spritze gesetzt hatte und ich einen großen Schritt zu mehr Normalität gemacht hatte. Und dafür lohnte es sich sogar, zwei Stunden anzustehen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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