Gewaltfreies Konfliktmittel
Mit Hip Hop gegen Kinderarmut

Sandra Lemke vom Verein Hip Hop Charity Jam organisiert Workshops für Kinder und Jugendliche. Die Wand wurde im Rahmen der Initiative mit Teilnehmern gestaltet. | Foto: JoM
  • Sandra Lemke vom Verein Hip Hop Charity Jam organisiert Workshops für Kinder und Jugendliche. Die Wand wurde im Rahmen der Initiative mit Teilnehmern gestaltet.
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Die Hip Hop Charity Jams des gleichnamigen Tegler Vereins sind ein Erfolgsprojekt. Das Konzept: jungen Musikern eine Bühne bieten, Shows veranstalten und die Einnahmen dem Deutschen Kinderhilfswerk spenden. Dazu kommen zahlreiche Workshops für Schüler. Wie eine Reinickendorferin der Armut in frühen Lebensjahren den Kampf ansagt und Jugendliche durch Hip Hop Gewaltfreiheit lehrt.

In den letzten Wochen ist viel gesprochen und geschrieben worden über den deutschen Rap. Nachdem die Verleihung des Echo an die ideologisch zweifelhaften Musiker Kollegah und Farid Bang einen Aufschrei ausgelöst hat, ist die Debatte um das streitbare Kulturphänomen wieder einmal aufgeflammt. Brutal und jugendgefährdend? Antisemitisch? Vielleicht. Teilweise. Aber auch einiges mehr.

"Dass gerade die Härte im Rap einen Reiz für Jugendliche hat, ist verständlich", findet Sandra Lemke. Seit 2009 organisiert die mehrfache Mutter Rap- und Graffitiworkshops für Kinder und Jugendliche und Jams, bei denen noch unbekannte Künstler eine Plattform bekommen. Sie ist mit ihrer Arbeit nah dran an den Gründen, aus denen junge Menschen entgleisen und sagt: "Rap ist die Sprache der Straße. Gewalt, Drogen, Leistungsdruck und Mobbing – das alles findet man darin."

Die Musik spiegle die Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen, auf denen der enorme gesellschaftliche Druck laste, mithalten zu müssen – ungeachtet ihrer vielleicht misslichen Lebensumstände. "Heute ist etwa ein Hauptschulabschluss kaum noch etwas wert", sagt Lemke. "Das belastet das Selbstbewusstsein." Wenn Armut und der Gruppenzwang zu nicht finanzierbaren Statussymbolen wie Sneakers oder Handys dazukämen, sei Kriminalität für viele eine Option.

Kreativität statt Gewalt

Lemke will dazu Alternativen schaffen und setzt auf andere Komponenten der Jugendkultur. "Das Prinzip des Battles gibt es in allen Elementen, beim Rap, Graffiti, Breakdance und DJing", sagt sie. Battle, Schlacht, das hört sich erst einmal martialisch an. Die Idee dahinter ist allerdings das Gegenteil, nämlich, Konflikte gewaltfrei auszutragen, über ein Kräftemessen in einer künstlerischen Disziplin. Lemke und ihre zwölf Mitstreiter wollen Kinder und Jugendliche anregen, kreativ zu werden, wo sie sonst Gewalt anwenden würden.

Die Jugendkultur, die sich teilweise – etwa im Graffiti und beim Gangsta-Rap – an der Grenze zur Legalität verortet, sei ein einfacher Zugang zur Zielgruppe, sagt Lemke. "Die Schüler identifizieren sich damit. So sehen sie die anderen im Workshop schnell als Gemeinschaft." Das geteilte Interesse schaffe eine Verbindung zwischen Menschen, die sich sonst vielleicht nie kennenlernen würden. Und das Programm bietet einen geschützten Raum. Bei den Kursen finden Kinder und Jugendliche mit ihren Sorgen offene Ohren, warme Mahlzeiten sind inklusive. In diesem Rahmen könne man Hip Hop benutzen, um Respekt, Toleranz und Teamwork zu lehren.

Ein nachdrückliches Beispiel dafür, dass diese Rechnung aufgeht, sind die neun Mädchen und Jungen aus dem Kiez, die im April 2017 zusammen mit Gleichaltrigen aus der nahe gelegenen Flüchtlingsunterkunft am Workshop des Rappers DVO teilnahmen. Sie schrieben Songs und nahmen diese in einem Tonstudio auf. Im Nachhinein besuchten sich die Kinder noch mehrmals gegenseitig und bekamen Einblicke in die jeweils anderen Lebensumstände. So entstanden Freundschaften.

Kinderarmut nachhaltig bekämpfen

Hip Hop Charity Jam versucht, die Not zur Tugend zu machen. Das gelingt. Und doch ist es nur ein kleiner Beitrag zum Problem Kinderarmut. "Es ist eine Schande, dass im reichen Deutschland so viele Kinder hungrig in der Schule sitzen und in Scham aufwachsen", sagt Lemke. In Berlin ist nach aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit jedes dritte Kind auf die Grundsicherung angewiesen, sprich armutsgefährdet. Wie das Deutsche Kinderhilfswerk und 1620 Befragte seines im Februar veröffentlichten Kinderreports, so sieht auch Lemke den Ball im Feld der Politik liegen. Bessere Löhne für Eltern, die Anhebung der Hartz IV-Sätze und eine gute Förderung von Kindern aus einkommensschwachen Familien seien unausweichlich, wolle man Kinderarmut nachhaltig bekämpfen.

Der Verein Hip Hop Charity Jam wird auf dem Tegeler Hafenfest am 19. Juli ein Programm gestalten. Vom 3. bis 5. August findet ein Graffitiworkshop statt.

<div class="docTextServiceText">Die Anmeldung ist noch möglich. Kontakt und Spendenkonto unter <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.charityjam.de/kontakt/">www.charityjam.de/kontakt</a>.</div>

Autor:

Josephine Macfoy aus Schöneberg

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