Politische Mehrheit im Ausschuss ist dagegen
Demonstration für erste Pop-up-Radwege

Für eine kurze Zeit gehörte die Berliner Straße am 23. Mai den Radfahrern. | Foto: Christian Schindler
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Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub, der Verkehrsclub Deutschland sowie Grüne, Linke und mehrere Bürgerinitiativen haben am 23. Mai für Pop-up-Radwege auch in Reinickendorf auf der Berliner Straße demonstriert.

Unter Pop-up-Radwegen werden Fahrradstreifen verstanden, die provisorisch auf bisherigen Fahrspuren markiert werden. Hintergrund ist die Corona-Krise, die einerseits den Autoverkehr reduzierte, andererseits viele Menschen auf das Rad umsteigen ließ, weil ihnen die Enge in öffentlichen Verkehrsmitteln wegen des Infektionsrisikos zu riskant war. Zudem ist es auf den vorhandenen Radwegen und Straßen an Kreuzungen für Radfahrer oft schwierig, den Mindestabstand von 1,5 Meter einzuhalten. Vorreiter in Berlin bei den Pop-up-Radwegen ist der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

Anträge ohne Chance im Ausschuss

Der Demonstration vorausgegangen waren zwei Entscheidungen des Verkehrsausschusses der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 15. Mai. Dort hatten Grüne und Linke solche Fahrradstreifen auf dem Oraniendamm zwischen Zabel-Krüger-Damm und Dianastraße sowie auf dem Hermsdorfer Damm zwischen der Autobahn 111 und dem Dohnensteig gefordert. Beide Anträge scheiterten an der Ablehnung durch CDU, SPD, AfD und FDP. Damit ist auch eine endgültige Ablehnung in der Juni-BVV wahrscheinlich.

Nach dem Willen der Grünen wären die genannten Strecken nur ein Anfang. Sie halten auch die Berliner Straße in Tegel, Teile der Ollenhauer- und Scharnweberstraße wie auch der Residenz- und Heiligenseestraße für geeignet, den Radfahrern mehr Platz zu geben. Schon einen Tag vor der Demonstration äußerte sich Baustadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU) zu den Forderungen:

Ältere brauchen das Auto nach wie vor

„Die Situation für Radfahrer und Fußgänger deutlich zu verbessern, ist ein Ziel, das ich voll und ganz teile. Aber es ist eine wichtige Aufgabe, nicht nur für jüngere und jung gebliebene, sportliche Personen Mobilität und Sicherheit zu gewährleisten. In einem Flächenbezirk wie Reinickendorf, in dem weitere Strecken bis zur Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr zurückzulegen sind als in der Innenstadt, in dem aber auch viele ältere Menschen leben, deren körperliche Fitness für einen Verzicht auf den Pkw oft nicht reicht, braucht es einen funktionierden Angebots-Mix. “

Nach den Beobachtungen der Stadträtin hat sich der Autoverkehr schon wieder normalisiert. Zum Teil sei er sogar gestiegen, weil mehr Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel mieden und zum Auto wechselten.

Ältere scheuen Radfahren nicht

Die Bürgerinitiative Zabel-Krüger-Damm kritisiert wiederum die Argumentation der Stadträtin, dass insbesondere ältere Menschen auf das Auto angewiesen seien: „Das Argument, dass es in Reinickendorf vergleichsweise mehr ältere Menschen gibt, die auf ihr Auto angewiesen sind, lässt sich nicht nachvollziehen. Zum einen gibt es in Reinickendorf auch Ortsteile, in denen das Alter der Bevölkerung im Berliner Durchschnitt liegt. Zum anderen weiß doch jeder, dass Bewegung die Fitness erhält. Es gibt ebenso gut auch ältere Radfahrer in Reinickendorf, die allerdings leider öfter auf dem Gehweg anzutreffen sind, weil sie Angst haben, angefahren zu werden. Es ist also ein abwegiges Vorurteil, dass ältere Menschen sich scheuen würden, Sport zu treiben oder Fahrrad zu fahren.“

Der grüne Verordnete und Verkehrsexperte Jens Augner erklärt: „In den letzten Wochen haben einige Bezirke Radstreifen angelegt, um der steigenden Zahl von Radfahrern ein möglichst ansteckungsfreies Fahren zu ermöglichen. Leider hat Reinickendorf die Chance, etwas für den Radverkehr und für mehr Sicherheit während der Pandemie zu tun, verschlafen, weil für das Bezirksamt der Radverkehr nach wie vor eine Nebensache ist“.

Parkplätze würden nicht wegfallen

Der Vorsitzende der Linken-Fraktion in der BVV, Felix Lederle, betont, dass die konkreten Vorschläge für den Hermsdorfer Damm und den Oraniendamm extra gewählt worden seien, weil dort keine Parkplätze wegfielen und auch sonst der Autoverkehr nicht behindert wäre. Das hätte es den anderen Parteien leichter machen sollen, zumindest dort Radstreifen zu ermöglichen.

Für Heiner von Marschall, Vorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland Nordost, stellt sich eine grundsätzliche Frage: „Autos nutzen einen Großteil des öffentlichen Raums auch zum Parken, wo sie aber Stehzeuge sind“. Damit behinderten sie Fortbewegungsmöglichkeiten sowohl für Radfahrer wie auch für Fußgänger.

Autor:

Christian Schindler aus Reinickendorf

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