Kostenlos unterwegs auf der See-Meile
Kleiner Gelber steuert sich selbst
Zum ersten Mal schicken die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) einen für jeden zugänglichen selbstfahrenden Bus ins öffentliche Straßenland. Bis Jahresende bedient er die 600 Meter lange Strecke vom U-Bahnhof Tegel zu den Seeterrassen am Tegeler See.
Den besonderen Clou kann der kleine Gelbe auf seiner Premierenfahrt am 16. August zunächst nicht vorführen: Das Wenden auf der Straße Am Tegeler Hafen. Das ist für die Maschine, die nur im Notfall von dem immer anwesenden Fahrzeugbegleiter der BVG gelenkt wird, eine besondere Herausforderung.
Doch der Platz, den auch der kleine Bus mit sechs Sitzplätzen benötigt, ist von mehreren Polizeifahrzeugen blockiert. Deren Besatzungen waren ihren Kollegen zu Hilfe gekommen, die eigentlich nur einen Radfahrer aufgefordert hatten, nicht auf dem Bürgersteig zu fahren. Der reagierte darauf nicht und verweigerte anschließend die Ausweiskontrolle. Es kam zu einem Gerangel zwischen den beiden Beamten und dem Radfahrer, bei dem alle Drei zu Boden gingen. Die polizeiliche Verstärkung war schnell da, und verhinderte nun die Präsentation modernster Technik.
Am Ende gelang das Wendemanöver
Der Polizeieinsatz war jedoch schnell beendet, und „EZ 10 Gen2“, so der Typenname des Fahrzeugs der Firma EasyMile, konnte zeigen, was er kann: Das Wendemanöver gelang.
Das Projekt „See-Meile“ des selbstfahrenden Busses ist so aufwendig, dass er zu klein dafür ist, von allen acht Projektpartnern auch nur eine Person gleichzeitig mitzunehmen. Die Spannbreite reicht vom im französischen Toulouse ansässigen Hersteller EasyMile über die BVG bis zu den Berliner Wasserbetrieben, die dem Elektro-Auto auf einem Grundstück nahe der Seeterrassen eine Ladestelle zur Verfügung stellen. Die Senatswirtschaftsverwaltung fördert das Fahrzeug mit 200.000 Euro. Auch die Deutsche Bahn ist mit im Bus, sie begleitet über ihre Tochter „ioki“ das Projekt wissenschaftlich.
Bis Jahresende
um eine Attraktion reicher
Eine große Rolle spielte die Bezirksverwaltung. Es bedarf einer Vielzahl von Ausnahmegenehmigungen, um ein einzelnes Fahrzeug ohne Fahrer auf einer öffentlichen Straße fahren zu lassen. Der Bezirk hatte sich von Anfang an für die Straße Am Tegeler Hafen stark gemacht und sich damit auch gegen andere Bezirke durchgesetzt. Tegel hat somit bis Jahresende eine weitere Touristen und andere Berliner anziehende Attraktion.
Der Bus „lernte“ in den vergangenen Wochen seine Umgebung kennen. Zusätzlich zu dieser Programmierung scannt er ununterbrochen seine Umgebung, stoppt vor jedem Hindernis. Um auf jedes unvorhergesehenes Ereignis reagieren zu können, fährt er mit maximal 15 Stundenkilometern. Nach der Testphase folgt eine intensive Auswertung des selbstfahrenden Alltags. Geprüft wird nicht nur, wie die Sensoren auf Umwelt und Wetter reagieren, sondern auch die Akzeptanz automatisierter Shuttles seitens anderer Verkehrsteilnehmer.
Busfahrer werden auch künftig gebraucht
Bus- und andere Berufsfahrer, die sich nun Sorgen machen, dass sie bald von einem Computer ersetzt werden könnten, beruhigt die Vorstandsvorsitzende der BVG, Sigrid Nikutta: „Da ist nichts geplant. Hochautomatisierte Shuttles werden immer nur Zusatzangebote sein.“
Der Elektrobus fährt bis Jahresende montags bis freitags von 7.30 bis 11 Uhr und von 15 bis 18.30 Uhr. Sonnabends und sonntags ist er von 10.30 bis 17.30 Uhr auf der insgesamt 1,2 Kilometer langen Strecke (hin- und zurück) unterwegs. Für eine Runde braucht er rund 15 Minuten. Einen zusätzlichen Stopp gibt es an der Kreuzung zum Medebacher Weg.
Mitfahren kann kostenlos jeder – soweit es verfügbare freie Plätze gibt. Das Fahrzeug ist zudem klimatisiert und mittels einer Rampe barrierefrei. Rollstuhlfahrer dürfen in der Anfangsphase noch nicht mitfahren, da für sie noch ein Sicherheitsgurt nachgerüstet werden muss. Kinderwagen und Rollatoren dürfen von Beginn an mitgenommen werden.
Autor:Christian Schindler aus Reinickendorf |
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