Experten suchen eine gesicherte Zukunft
Denkmalgeschütztes Gebäudes des ehemaligen Flughafens feiert 100. Geburtstag
Zum Zeitpunkt der Beendigung der Bautätigkeit 1941 war das von Ernst Sagebiel ab 1936 errichtete Gebäude des Flughafens Tempelhof mit einer Länge von rund 1200 Metern und einer niemals verwirklichten Dachtribüne für 80 000 Menschen ein Beispiel nationalsozialistischen Größenwahns.
Es war zu dieser Zeit aber auch das größte, heute das größte denkmalgeschützte Bauwerk in Europa. Doch was anfangen mit solch einem Koloss mit einer Grundfläche von etwa 300 000 Quadratmetern, sieben großen Hangars und über 7000 Räumen?
Hoher Sanierungsbedarf
Eine Mammutaufgabe für die Tempelhof Projekt GmbH, die nun mit einer neuen Internetseite – thfx-denkmalwerkstatt.de – über die Ergebnisse der bisherigen Überlegungen von Experten zur Zukunft des Gebäudekomplexes informiert. Vorweg: Alle wollen für „dieses besondere historische Erbe“, wie der Sozialwissenschaftler Prof. Harald Bodenschatz den früheren Flughafen nennt, eine gesicherte Zukunft.
Nach zwei seit 2022 durchgeführten hochrangig besetzten Workshops bietet sich, je nach Sichtweise, eine Perspektive, die vielleicht am besten so formuliert werden kann: auf der einen Seite Erschrecken über die Größe der notwendigen Arbeiten an der „Mutter aller Flughäfen“ (so der britische Architekt Sir Norman Forster über Tempelhof), auf der anderen Seite Zuversicht durch die dem Projekt innewohnenden Chancen.
Sechs Hangars mit maroden Dächern
So ist der bauliche Zustand weit schlechter als angenommen. Nur ein Beispiel: „Die Hangardächer am Flughafen Tempelhof sind stark sanierungsbedürftig. Bei der eingehenden Untersuchung der Massivdecken in den Hangars 2 bis 7 wurde festgestellt, dass diese im Bereich der Tribünen stark geschädigt sind. Die Schädigung ist so stark, dass bei rund 14 000 Quadratmetern die Standsicherheit gefährdet ist und Einsturzgefahr besteht“, lautet die Analyse von Sharon Golan, Architektin und Spezialistin für Erhaltung aus Tel Aviv.
Nach Sanierung des Kopfbaus West mit den früheren Tower und seiner Öffnung wird derzeit als erster großer Baumaßnahme an der Dachsanierung in Hangar 7 gearbeitet. Die am 2. Januar begonnenen Arbeiten mit Abtragen alten Betons, Einbau einer Bewehrung und Aufbringen neuen Betons sollen im März 2024 abgeschlossen sein. Inwieweit die gesamten Sanierungsarbeiten der Dächer bis Mitte 2026 abgeschlossen werden können, wie von Golan vorausgesagt, sei dahingestellt. Denn wie gesagt, Hangar 7 ist nur einer von sechs Hangars mit hohem Sanierungsbedarf der Decken.
Chance für regenerative Energien
Mag das ein Beispiel für die Größe der zu bewältigenden Aufgaben sein, soll das Areal als Zukunftsort gesichert werden, so zeigen sich auf der anderen Seite aber auch die Chancen, die dieser Ort bietet. Stichwort: Einsatz regenerativer Energien. Einen aktiven “Energiebaustein für die Stadt Berlin“ sieht Prof. Harald Garrecht im Flughafen Tempelhof und verweist auf die mögliche Nutzung der riesigen Dachflächen durch denkmalgerechte, kombinierte Photovoltaik/Solarthermie-Systeme mit angeschlossenem Speicher, mit denen also Strom und Wärme gewonnen und teilweise auch an die Berliner Netze abgegeben werden können. Der Einsatz von Biogas im eigenen Heizkraftwerk und Geothermie, also die Gewinnung von Erdwärme, sind weitere Stichworte.
Dass das alles finanziert werden muss, ist klar. Konkrete Aussagen dazu gibt es entsprechend des Arbeitsauftrags an die Experten für ihre Zukunftsvisionen jedoch nicht.
Jubiläum wird gefeiert
Interessierte können sich übrigens demnächst ein eigenes Bild vom Stand der Dinge machen: Der Nicht-mehr-Flughafen feiert vom 6. bis 10. Oktober sein 100-lähriges Jubiläum mit geöffneter Haupthalle, Führungen, Konzerten, Tanz und Party. Ein Großteil der Angebote zum Fest wird kostenfrei sein.
Autor:Uwe Lemm aus Mahlsdorf |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.