Symbol des Größenwahns
Der Schwerbelastungskörper diente den Nazis als Versuchsobjekt
Wer sich dem Schwerbelastungskörper nähert oder gar ins Innere des massiven Klotzes möchte, muss einen Schutzhelm aufsetzen. Ab und zu kommt es vor, dass einzelne Betonstücke herunterbröckeln. Große Risse zeigt die Fassade. Zur Sicherheit gibt es ringsherum ein Auffanggitter.
Dass sich das skurrile Bauwerk nicht mehr in bestem Zustand befindet, ist kein Wunder. Eigentlich hätte der Schwerbelastungskörper schon längst verschwinden sollen. Gesprengt werden konnte er aufgrund seiner Nähe zu den umliegenden Wohnhäusern jedoch nicht. Heute steht er als Mahnmal für den Größenwahn der nationalsozialistischen Stadtplanung sogar unter Denkmalschutz. Seine Ausmaße sind enorm. 14 Meter ragt er in die Höhe, 18 Meter in die Tiefe. Der Durchmesser beträgt 21 Meter. Mehr als 12 000 Tonnen bringt der Koloss auf die Waage.
Belastbarkeit des Berliner Bodens getestet
Für die Nationalsozialisten hatte er eine große Bedeutung. Anhand des zylindrischen Druckkörpers wollten sie die Belastbarkeit des Berliner Bodens testen. Gefertigt wurde der Betonklotz von der Baufirma Dyckerhoff & Widmann im Auftrag von Albert Speer während des Zweiten Weltkriegs, von April bis November 1941. Speer war Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt. Adolf Hitler hatte ihn mit der Planung eines gigantischen Bauvorhabens beauftragt: die „Welthauptstadt Germania“. Nach Hitlers Vorstellung sollte Berlin von zwei Magistralen – einer Ost-West- sowie einer Nord-Süd-Achse – durchzogen werden. Teil der Pläne war unter anderem eine sieben Kilometer lange und 120 Meter breite Prachtstraße für Aufmärsche und Paraden, die dreimal so breit wie eine sechsspurige Autobahn werden sollte. Außerdem wollte Hitler nur wenige Meter vom Schwerbelastungskörper entfernt einen Triumphbogen bauen lassen, der sechsmal so groß wie das Brandenburger Tor gewesen wäre.
Um 19 Zentimeter abgesenkt
Nichts davon wurde umgesetzt, obwohl 1941 bereits 5000 Wohnungen mit überwiegend jüdischen Mietern geräumt wurden, die auf der geplanten Nord-Süd-Achse lagen. Gebaut wurde nur der Schwerbelastungskörper. Dieser sackte innerhalb von zweieinhalb Jahren bereits um 19 Zentimeter ab, wie die Deutsche Gesellschaft für Bodenmechanik 1948 nach Auswertung ihrer Messungen bekanntgab. Ob „Germania“ überhaupt hätte realisiert werden können, ist nicht allein deshalb äußerst fraglich. „Aus heutiger Sicht ist die Umsetzung einfach unvorstellbar“, sagt Dora Busch. In der von ihr konzipierten neuen Dauerausstellung über das Bauwerk ist unter anderem eine Karikatur von Hans Stephan zu sehen. Darauf amüsierte sich der einst für Albert Speer arbeitende Architekt über die Stadtplanung der Nazis. „Er hat schon damals erkannt, wie absurd diese Größenordnung war“, so die Kuratorin. „Es weiß auch keiner mehr, woher das ganze Baumaterial und die Arbeitskräfte dafür hätten kommen sollen“, erzählt Historiker Stefan Zollhauer, der regelmäßig Besuchergruppen über das Gelände führt. Dass französische Zwangsarbeiter für den Bau des Schwerbelastungskörpers schuften mussten, ist nicht bewiesen. Laut Dora Busch sei dies jedoch „sehr wahrscheinlich“, weil Albert Speer für den Einsatz von Zwangsarbeitern bekannt gewesen sei. Noch bis Ende der 70er-Jahre wurden auf dem Gelände Untersuchungen zur Bodenbelastung durchgeführt. 2009 wurde der „Informationsort Schwerbelastungskörper“ schließlich als ein Teilprojekt des Bund-Länder-Programms „Stadtumbau West“ der Öffentlichkeit übergeben.
Führungen und neue Dauerausstellung
Bis Ende Oktober findet jeden Sonntag um 16 Uhr eine kostenlose Führung zum Schwerbelastungskörper, General-Pape-Straße nahe Kolonnenbrücke, statt. Dort ist auch die neue Dauerausstellung zu sehen. Die Museen Tempelhof-Schöneberg starten am 3. August eine dreiteilige Veranstaltungsreihe über das Bauwerk.
Infos hierzu unter https://www.museen-tempelhof-schoeneberg.de/termine-allgemein.html.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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