Ein Relikt längst vergangener Zeiten
Neue Einblicke in die Luftschutzräume des Flughafens Tempelhof

Zeichnungen und Sprüche an den Wänden sollten beruhigend auf die Menschen in den Luftschutzkellern wirken. | Foto: Philipp Hartmann
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Eine massive Stahltür ist der Eintrittspunkt in die unterirdische Welt des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Im Zweiten Weltkrieg brachten sich Flughafenmitarbeiter und Anwohner in den dortigen Luftschutzräumen vor den Bombenangriffen in Sicherheit. Der Leiter der Polizeihistorischen Sammlung, Dr. Jens Dobler, hat der Berliner Woche exklusiv Zutritt zu einem Bereich ermöglicht, der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist.

Er führt uns in die insgesamt 16 Luftschutzkeller, die direkt unterhalb des Museums liegen. Sie wurden 1936 nach den Plänen des Architekten Ernst Sagebiel gebaut. Es ist totenstill dort unten, die Atmosphäre ziemlich gruselig. Weibliche Kollegen, so erzählt uns Dobler, würden allein nur ungern dort hinabsteigen. Ihm selbst mache das nichts aus. „Wir Archivare und Museumsleute lieben ja so etwas Morbides“, erzählt er schmunzelnd.

Was sofort ins Auge fällt sind die pechschwarze Decke und die bis zur Hälfte völlig verrußten Gänge. Verantwortlich dafür war einst vermutlich ein Feuer außerhalb des Gebäudes, infolgedessen Rauch in die Kellerräume zog und die Wände schwärzte. Verrostete Abwasserrohre führen den Gang entlang. An den Türen befinden sich noch die alten Gasmelder. Dann schließt Jens Dobler die Tür zu einem der Luftschutzkeller auf, hinter der eine Überraschung wartet.

Was man an einem solchen Ort nun wirklich nicht erwartet, sind Zeichnungen und Sprüche an den Wänden. Doch genau diese sind zu sehen. Eine Kindergärtnerin hält ein Mädchen an der Hand. Daneben ein zweites Mädchen, das ein Spielzeugpferd hinter sich herzieht. Dazu steht geschrieben: „Begrüßt Dich deine Mutti morgens beim Erwachen auch mit einem Küßchen? Nee, meine mit nen Löffel Lebertran!“ Das skurrile Kunstwerk hat einen ernsten Hintergrund, wie Jens Dobler erklärt. „Damals hockten die Menschen hier zu fünfzigst auf den Bänken, während draußen der Bombenkrieg tobte. Auf so engem Raum bestand die Gefahr, dass manche durchdrehten oder Panik entstand. Die Bilder wurden gemacht, um die Leute und vor allem die Kinder zu beruhigen.“

Während die meisten der Luftschutzkeller, die durch dicke Betonwände voneinander getrennt sind, leer stehen, werden manche noch aktiv genutzt. In einem von ihnen hat die Polizeihistorische Sammlung ihre Dienstbibliothek eingerichtet. Es riecht etwas modrig nach altem Papier. In den Regalen stapeln sich Bücher, die sich im Laufe der Jahrzehnte schon fast zersetzt haben. Darunter befinden sich Polizeihandbücher wie „Einführung in die Kriminaltechnik“ von 1921 oder „Aufklärung von Verkehrsunfällen“ von 1938. „Wir haben hier teilweise Bücher aus der Kaiserzeit“, sagt Jens Dobler. Deren Erhaltungszustand sei das große Problem, mit dem alle Archive zu kämpfen hätten. „Papier aus Holz löst sich auf. Im Holz ist Säure enthalten und die frisst das Papier irgendwann auf. Chemische Entsäuerungsmaßnahmen und gut klimatisierte Räume könnten diesen Prozess aufhalten, doch die haben wir hier nicht“, erklärt der Historiker.

Er schlägt ein Tätigkeitsbuch des Polizeireviers aus dem Jahr 1945 auf. Damals wurden alle Anzeigen, die bei der Polizei eingingen, noch handschriftlich in Bücher eingetragen. „24.5.1945 – Auffindung eines Toten, der sich erhängt hatte“, steht darin beispielsweise geschrieben. Immer wieder, so berichtet Dobler, fragen Leute nach Unterlagen, die Informationen über den Tod ihrer Angehörigen aus jener Zeit enthalten. Um etwas nachzuschlagen, kommt er selbst täglich hier herunter.

Am Ende des Ganges wartet noch ein weiterer Keller. Ehemalige Ausstellungsstücke wie eine alte, verstaubte Polizeitaucherausrüstung liegen in der Ecke. Aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit, die schädlich ist für die Lagerung, werden in diesem Raum laut Dobler jedoch nur wenig bedeutende Objekte aufbewahrt. Was sich hinter der letzten Tür befindet, ist allerdings auch ihm nicht bekannt. Ein bisschen Geheimnis wird der riesigen unterirdischen Flughafenanlage wohl immer erhalten bleiben.

Die Tempelhof Projekt GmbH bietet regelmäßig Führungen durch die Luftschutzkeller an, jedoch in einem anderen Gebäudetrakt. Infos hierzu unter www.thf-berlin.de/fuehrungen/verborgene-orte/.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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