Werkzeuge fürs Leben
In der Fliegerwerkstatt sammeln Kinder und Jugendliche praktische Erfahrungen
In der großen Halle im Bauteil D1 des Tempelhofer Flughafens herrscht wuselige Betriebsamkeit. Jugendliche sägen, schrauben, werkeln. Zwischen Bänken, Regalen, Arbeitstischen, großen Maschinen und Stapeln von Holzlatten stehen die Werkzeugkisten. Für Mathias Link, Leiter der Fliegerwerkstatt Berlin, sind sie Symbole für die Idee dieses Ortes: „Jeder Mensch besitzt Werkzeuge, mit denen er durchs Leben geht. Es gilt nur, diese auch für sich zu entdecken.“
Die Stärken des Einzelnen erkennen, Fähigkeiten und Sozialkompetenz fördern, das ist der Anspruch, mit dem die social return Stiftung 2014 die Fliegerwerkstatt gegründet hat – insbesondere für benachteiligte Schüler und Jugendliche unterschiedlichster Herkunft zwischen zwölf und 21 Jahren. Mathias Link und sein Kollege, der Sozialpädagoge Dirk Dreissen, werden von zwei Ingenieuren im Ruhestand ehrenamtlich unterstützt. Das Team betreut jährlich bis zu 400 Schüler beim praktischen Arbeiten in Projekten. „Zurzeit kommen vormittags Schüler aus einem Bildungsträger und sieben Schulen, mit denen eine Kooperation besteht. Nachmittags sind hier zudem bis zu 15 Jugendliche in ihrer Freizeit aktiv“, sagt Link.
Der gelernte Schreinermeister hat selbst lange eine eigene Schreinerei geführt, bevor er 2017 zur Fliegerwerkstatt kam. „Mir fehlte zunehmend der Bezug meiner Kundschaft zu meiner Arbeit. In der Fliegerwerkstatt kann ich genau das wieder herstellen, indem wir den Jugendlichen Erfahrungsräume schaffen, in denen sie sich selbst praktisch ausprobieren können. Anstatt sich an von außen herangetragenen Trends zu orientieren, können sie hier Fähigkeiten entdecken und entwickeln, die ihnen später bei der Berufswahl helfen.“ Das habe zum Beispiel Hadi gemacht, der kurz davor war, sein Abitur zu schmeißen. In der Fliegerwerkstatt habe er beim Bau eines Flugsimulators geholfen, dadurch bei dem kooperierenden Unternehmen ein Praktikum und einen Ausbildungsplatz gefunden. „Und heute studiert er Luftfahrtmanagement“, sagt Mathias Link.
Einblick in die Arbeitswelt
Viele der Projekte kommen in Kooperation mit Unternehmen zustande, bei der Planung und Durchführung bekommen die Jugendlichen Einblicke in die reale Arbeitswelt. Auf diese Weise wurde bereits das Cockpit einer Boeing 737 zum Flugsimulator umgebaut, ein Doppeldecker Fokker Dr.I des Technikmuseums restauriert, Ausstellungspavillons, eine Bühne, Messestände, Holzleistenkanus, Spielgeräte und vieles mehr hergestellt. Link: „Aktuell installieren wir mit dem Experimentierlabor CityLAB eine ultraschallbasierte Besucherzählung für das Flugfeld. Zudem ist zusammen mit dem Ogalala-Theater Kreuzberg der Bau eines Theaters ähnlich dem einstigen Monbijou-Theater angedacht – mit späterem Spielbetrieb auf dem Flughafengelände.“
So viel Engagement bedarf natürlich großer Unterstützung. Hauptsächlich finanziert wird die Werkstatt durch das private Vermögen der Stifter von social return, André Wall und Cornelia Dimas. Deshalb sind neben der tatkräftigen Unterstützung der kooperierenden Schulen und Unternehmen weitere finanzielle Mittel und Spenden immer willkommen, um den Werkstattbetrieb zu gewährleisten und weiter ausbauen zu können.
Besondere Anerkennung
Eine wichtige Anerkennung gab es jüngst: Die Fliegerwerkstatt gewann den diesjährigen mit 20.000 Euro dotierten Roman-Herzog-Preis der Berliner Sparkasse. Gewürdigt werden damit Berliner Projekte oder Initiativen, die Unternehmertum wirkungsvoll mit gesellschaftlichem Engagement verbinden und sich in besonderer Weise für die Weiterentwicklung der Gesellschaft und deren Zusammenhalt starkmachen. Die Projekte sollen, so heißt es ausdrücklich in der Auslobung, „das Potenzial haben, aufgrund ihres Vorbildcharakters in die gesamte Bundesrepublik auszustrahlen“.
Weitere Informationen rund um die Fliegerwerkstatt gibt es im Internet unter fliegerwerkstatt.berlin.
Autor:Michael Vogt aus Prenzlauer Berg |
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