Cybercrime boomt: Polizei setzt auf Prävention
Schöneberg. Eine knapp 14-jährige Schülerin hat mit ihrem Smartphone gespielt und ein sogenanntes und wohl nicht unbedingt jugendgerechtes Selfie-Filmchen gedreht. Ein Film, der praktisch ohne große Zeitverzögerung im Freundeskreis und bei Faceboock die Runde machte, eine Art Shitstorm auslöste und kaum flächendeckend wieder einzufangen ist.
Ein fast schon alltägliches Fallbeispiel, worüber der Leitende LKA-Kriminaldirektor Thomas Simmroß (60) ganze Arien singen könnte. Entweder wurde das Handy, gilt auch für Computer, von einem Trojaner „abgefischt“ oder es liegt wie so oft schlicht und einfach an Bedienungsfehlern der Nutzer.
„Unsere tägliche Erfahrung zeigt, dass die Leute einfach zu unsensibel und leichfertig mit ihren Daten umgehen“, sagt Simmroß. Dazu kommt, dass viele die komplexe und andauernd weiter entwickelte Technik nicht beherrschen und es ja nur einen falschen Klick braucht, um den Rest der Welt ungewollt an seinen privatesten Unternehmungen teilhaben zu lassen. Im vorliegenden Fall tippt der Kriminalist auf Letzteres.
Ihr Recht am eigenen Bild kann die Schülerin kaum geltend machen, wenn sie selbst, wenn auch aus Versehen für die Verbreitung gesorgt hat. Sie fürchtet nun aber, wohl nicht ganz unbegründet, das Ferienende und was sie möglicherweise auf dem Schulhof erwartet. „Sollte sich daraus über das übliche Maß hinaus, wie Jugendliche miteinander umgehen, Mobbing oder Stalking entwickeln, ist die Grenze überschritten und die Polizei gefragt. Aber die Schulen sind inzwischen so sensibilisiert, dass das Meiste im Rahmen bleibt“, erklärt Simmroß.
Was den für Internetkriminalität, Betrug und Taschendiebstahl zuständigen Chef mit insgesamt rund 500 Mitarbeitern (LKA 2 in der Gothaer Straße 19) viel mehr Kopfschmerzen bereitet, ist die massenhafte Versendung von Schadprogrammen aus dem Ausland, das Ausspähen von Daten über eine ausländische IP und Online-Auktionen mit Geldüberweisungen ins Ausland. Das Problem: „Das Internet funktioniert zwar weltweit aber unsere Kompetenz endet an der nationalen Grenze“, so Simmroß.
Allein im letzten Jahr gab es in Berlin rund 5.600 angezeigte Fälle, die aufgrund des im Ausland liegenden Tatorts aber nicht in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) auftauchen. Aber die Inlandstatistik ist auch nicht von Pappe. Die Zahl der offiziell unter „Cybercrime“ zusammengefassten Delikte bewegten sich in den vergangenen Jahr um plus/minus 20.000. Tendenz steigend.
Den mit Abstand größten und stetig wachsenden Brocken, aktuell mehr als die Hälfte aller Fälle (54,6 Prozent), machte 2014 Waren- und Warenkreditbetrug aus, gefolgt von Betrug unter Verwendung von Zahlungskartendaten sowie Leistungs- und Leistungskreditbetrug. Die Verbreitung verbotener pornografischer Erzeugnisse bildet mit 1,5 Prozent das Schlusslicht. Die Aufklärungsquote lag im letzten Jahr bei 45,1 Prozent.
Deswegen setzen Kommissar Simmroß und seine Leute hauptsächlich auf Prävention: „Unsere vornehmste Aufgabe ist es, Straftaten zu verhindern“, so Simmroß. Zu diesem Zweck verweist der Polizist auf die einschlägigen Internetseiten der Polizei und anderen, wo beispielsweise die jeweils neuesten Tricks der Gauner und die entsprechenden Gegenmaßnahmen erklärt werden. HDK
Autor:Horst-Dieter Keitel aus Tempelhof |
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