Ohne Worte: Geschichte einer Flucht
Flughafen Tempelhof wird Schauplatz eines Science-Fiction-Comics – erzählt von Sartep Namiq

Sartep Namiq betrachtet Entwürfe zum Comic-Buch. | Foto: Alexander Koch
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Der junge Kurde Sartep Namiq flüchtete 2016 aus dem Irak. Ein Jahr lang lebte er gemeinsam mit 900 anderen Menschen in der Notunterkunft auf dem Flughafen Tempelhof. Jetzt ist das Comic-Buch „Temple of Refuge“ (deutsch: Tempel der Zuflucht) erschienen, das Künstler für ihn gemacht haben und das ganz ohne Worte auskommt.

Die Hauptfigur der Science-Fiction-Geschichte ist selbst Künstler. Auf seiner Flucht hält er in Zeichnungen auf dem Smartphone fest, was ihm begegnet und was ihm erzählt wird. Als er das Auffanglager Tempelhof vor den Mauern eines düster-futuristischen Berlins erreicht, wird er von seinem Freund getrennt.

Im Slum von Tempelhof auf sich allein gestellt, erfährt er Gewalt und Ablehnung, aber auch Solidarität und Freundschaft. Dann geschieht Unglaubliches: Plötzlich werden seine Zeichnungen Wirklichkeit, werden aus flüchtigen Strichen echte Häuser, Autos, Werkzeuge und im Handumdrehen entsteht eine neue, fantastische Stadt. Der Traum von einer besseren Welt rückt in greifbare Nähe.

Vier Jahre hat es gedauert, bis das Buch fertig war. Möglich hat es die „Gesellschaft der Neuen Auftraggeber“ gemacht. Sie verwirklicht für Menschen künstlerische Projekte, die etwas verändern wollen.

Zu Beginn waren Mitglieder der Gesellschaft mit acht kurdischen Flüchtlingen im Gespräch, nach einem Jahre kam nur noch Sartep zu den Treffen. Die anderen hatten schlicht die Kraft verloren. „Ich wollte mir aber unbedingt meine Zuversicht bewahren um nicht in den Sumpf der Entmutigung zu geraten“, sagt er im Interview mit Projektsprecher Denhart von Harling. So wurde er Auftraggeber des Comics.

Viele haben daran mitgearbeitet. Die Neuen Auftraggeber brachten Sartep Namiq mit Bruce Sterling zusammen – der berühmte US-Amerikaner gilt als der Begründer der Cyberpunk-Literatur. Er schrieb ein erstes Skript. Als Zeichner konnte Felix Mertikat gewonnen werden, er setzte die Geschichte so um, wie Sartep es wollte: in bunten, realistischen Bildern mit klarem Layout.

Denn der Comic soll von jedem verstanden werden – gerade auch von jenen, die keine Flüchtlinge kennen oder ihnen sogar ablehnend gegenüberstehen. „Wenn ich von 100 Personen, die Vorurteile gegen Menschen wie mich haben, fünf mit meiner Geschichte erreichen kann, wäre das ein großartiger Erfolg“, sagt er.

Er setzt sich dafür ein, dass das Buch auch in Kurdistan erscheint. Seinen Landsleuten möchte er zwei Dinge vermitteln. Erstens: Es ist möglich, mit Menschen aus anderen Kulturen etwas gemeinsam zu machen, ohne dass Religion oder Herkunft eine Rolle spielen. Die zweite Botschaft richtet er an die vielen perspektivlosen Jugendlichen, die auf eine bessere Zukunft in der Fremde hoffen: „Der Weg ist nicht geschafft, wenn man angekommen ist. Es gibt vieles, das schwer ist, das man überstehen muss mit klarem Kopf, um dann in ein ruhigeres Leben zu treten.“

Für Sartep Namiq spielt Kunst eine große Rolle, er schreibt seit Jahren Gedichte. Die Frage, ob kreative Projekte Geflüchteten helfen könnten, bejaht er. Mit Blick auf sein Leben im Tempelhofer Hangar sagt er: „Mit dem nötigen Equipment hätte ich sofort einen kleinen Dokumentarfilm gemacht – allein die Mitbewohner aus meinem Zimmer hätten so viel zu erzählen gehabt.“

Der Comic kostet zehn Euro. Der gesamte Erlös aus dem Verkauf kommt der Hilfsorganisation Sea-Watch zugute, die im Mittelmeer geflüchtete Menschen in Seenot rettet.

Infos gibt es unter www.temple-of-refuge.net. Temple of Refuge, Egmont Comic Collection, 84 Seiten, ISBN 978-3-7704-0115-4.

Sartep Namiq betrachtet Entwürfe zum Comic-Buch. | Foto: Alexander Koch
Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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