Tafel für Kinderärztin eingeweiht
Im Gedenken an Gertrud Rothgießer
Seit Kurzem erinnert am Haus in der Paradestraße 35 eine Berliner Gedenktafel an die Physikerin und Kinderärztin Gertrud Rothgießer (1888–1944), die zwischen 1926 und 1933 hier lebte und arbeitete.
Bei einem Mieterwechsel und der anschließenden Sanierung war eine frühere Nutzung der Räume als Arztpraxis aufgefallen. Recherchen des Vereins Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin ergaben: 1926 eröffnete Dr. Gertrud Rothgießer hier in der neu erbauten Siedlung Neu-Tempelhof westlich des Flughafens ihre Kinderarztpraxis.
Rothgießer wurde am 21. März 1888 in Bielefeld als erstes von vier Kindern von Anna und Georg Rothgießer geboren. Die Familie zog 1887 nach Berlin und war dort schnell bekannt, denn sie verkörperte mit ihrem innovativen und liberalen Lebensstil die moderne jüdische Gesellschaft der Stadt. Gertrud Rothgießer studierte ab 1908 Physik und Mathematik und promovierte im Fach Physik, wechselte dann aber zur Medizin. Sie war Mitglied im „Verein sozialistischer Ärzte“.
Ab 1933 durfte Gertrud Rothgießer als Jüdin ihren Beruf nicht mehr ausüben und emigrierte nach Marienbad in die Tschechoslowakei, wo sie ein Kinderheim eröffnete. Das Münchner Abkommen 1938 zwang sie erneut zur Flucht, sie zog nach Prag. Ende 1941 wurde sie ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und arbeitete bis zur Schließung des Lagers 1944 als Kinderärztin. Am 9. Oktober 1944 wurde Gertrud Rothgießer in Auschwitz ermordet. Bis auf zwei Geschwister, die emigrieren konnten, fiel ihre Familie dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer.
Autor:Uwe Lemm aus Mahlsdorf |
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