Shopping im Straßenbahndepot
Im T-Damm-Center bewegen sich Kunden auf geschichtsträchtigem Boden
Ein Meisterwerk moderner Architektur ist an der Friedrich-Wilhelm-Straße 17 zu bestaunen – auch wenn es sich nur die Rückseite des Gebäudes handelt, das der Architekt Jean Krämer in den Jahren 1924/25 entworfen hat. Hier fuhren einst Straßenbahnen ein und aus.
Das Grundstück hat eine lange Geschichte. Bereits 1875 befanden sich dort Stallungen der Großen Berliner Pferdeeisenbahn. Im Jahr 1902 ging aus ihr die Große Berliner Straßenbahn AG hervor. Die wünschte sich bald eine große und stützenfreie Halle für ihre Flotte. Hausarchitekt Jean Krämer schritt zur Tat.
Er baute ein neues Depot mit verglasten Dachgauben, die das Licht von allen Seiten einfallen ließen. In dem türkisgrünen Bau konnten 100 Fahrzeuge gereinigt, repariert und gewartet werden. An der Vorderseite gewährten 16 Tore die Einfahrt. Entlang der Längsseiten boten schmale Seitenschiffe Platz für Werkstätten und andere Diensträume.
Mitte der 1950er-Jahre gab es eine Wende in der West-Berliner Verkehrspolitik. Die Straßenbahn galt nun als veraltet und störend für die wachsende Zahl der Pkw auf den Straßen. Am 1. Oktober 1961 kam das Ende für die Linie 98 nach Marienfelde und die Linie 99 nach Lichtenrade. Der Betriebshof schloss. Noch bis Mitte der 1990er-Jahre nutzte die BVG die Halle jedoch als Garage und Werkstatt.
Danach wurde das inzwischen denkmalgeschützte Gebäude in eine Markthalle mit Ladenstraße umgebaut, inklusive Parkdeck. In den Jahren 2014/15 gab es eine weitere Modernisierung. Zur selben Zeit entstand ein viergeschossiges Bürohaus am Tempelhofer Damm 200. Hier ist heute der Eingang, über den man das T-Damm-Center betritt. Im hinteren Teil der Shopping Mall gibt es einen Supermarkt, der Blicke auf die alte Stahl-Backstein-Konstruktion der Halle gewährt.
Außerdem ist es möglich, zum Parkdeck emporzusteigen und die historische Architektur aus nächster Nähe in Augenschein zu nehmen – die Autos stehen nur wenige Meter unter der gewölbten Decke des ehemaligen Straßenbahndepots, die schönen Fenster lassen Tageslicht herein, eine Seite des ungewöhnlichen Parkhauses ist vollständig verglast.
Baumeister Jean Krämer gehörte zu den großen Vertretern des Berliner Expressionismus. Bevor er für die Straßenbahngesellschaft arbeitete, hatte er bereits als Industriearchitekt von sich reden gemacht. In Tempelhof entwarf er beispielweise 1918/19 die Norddeutsche Kühlerfabrik in der Oberlandstraße 52, die spätere Chemische Fabrik Tempelhof.
Das berühmteste Bauwerk von Krämer ist jedoch der achteinhalb Meter hohe Verkehrsturm auf dem Potsdamer Platz. Er beherbergte Deutschlands erste Ampel, die von der Kanzel aus von einem Polizisten bedient wurde. Im Dezember 1924 ging sie in Betrieb. Doch schon 13 Jahre später war sie Geschichte. Sie musste dem Bau des S-Bahnhofs weichen.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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