Zu Besuch beim Lego-Baumeister
Roman Gerhardt bereitet seine fünfte Ausstellung in der Apotheke am Flughafen vor
„Es haben schon viele gefragt, wann es endlich losgeht.“ Mit diesen Worten wird Roman Gerhardt begrüßt, als er die Apotheke am Flughafen in der Manfred-von-Richthofen-Straße 2 betritt. Die Rede ist von seiner Legostadt, die er im November im Schaufenster aufbaut und die zum fünften Mal für plattgedrückte Nasen sorgen wird.
Gerhardt wohnt nur ein paar Häuser weiter. Wenn die Bäume kahl sind, hat er die Apotheke von seinem Fenster aus im Blick. „Manche Familien sind jeden Tag da, morgens und abends“, sagt er. Apotheker Alexander Göttlich nickt. Besonders die Kinder seien kaum von der Scheibe wegzubekommen, erzählt er. „Die entdecken unglaublich viele Kleinigkeiten und die Erwachsenen frieren.“ Im vergangenen Jahr war der Andrang so groß, dass sich Steine des Gehwegpflasters lösten.
Roman Gerhardt freut sich, sein Hobby mit anderen zu teilen zu können, selbst wenn er jedes Mal nur etwa ein Viertel seiner Schätze zeigen kann. Für mehr reicht der Platz nicht. Seit rund 20 Jahren sammelt er Lego-Sets der „klassischen Ära“. Die reicht von 1978, als die ersten Minifiguren erschienen, bis 2003, als sich die Farben änderten und immer mehr Spezialsteine auf den Markt kamen.
Die mag er nicht. „Für mich ist der Reiz, mit beschränktem Material zu bauen, nur mit den Grundformen und -farben“, sagt er. Dafür sei das Sortiment der 1980er- und 1990er-Jahre perfekt. Anfangs hat er sich noch stark an den Baustandards, also an vorgegebenen Modellen orientiert. Doch vor acht Jahren begann er, über Altbauten nachzudenken. Inzwischen hat er Häuser in unterschiedlichsten Architekturstilen konstruiert, an manchen hat er sieben Jahre lang herumgebastelt, bis er zufrieden war.
Sie wieder zu zerlegen, kommt nicht in Frage. „Ich würde sie nicht mehr zusammenbringen, das wäre eine zu große Fummelei.“ Wichtig für ihn ist, dass die Häuser bespielt sind, wie er sagt. Er löst vorsichtig ein Fassadenteil eines gelben Gebäudes und zeigt, was er damit meint. Ein Männchen sitzt im Wohnzimmer, neben sich seine Plattensammlung. Zu den Nachbarn gehören eine Zahnarztpraxis, ein Fitness-Studio und ein Restaurant. Das Haus ist Teil eines größeren Ensembles. Es steht an der Donau, Schiffe sind zu sehen, Kräne, Ausflügler, Autos und das Herzstück, auf das Gerhardt besonders stolz ist: eine Tragseilbrücke mit einer Spannweite von rund einem Meter, inklusive Turmrestaurant und Aussichtsplattform.
Sie ist der „Most SNP“ (Brücke des Slowakischen Nationalaufstands) in Bratislava nachempfunden, ein Beispiel für Brutalismus, geprägt von der Sichtbarkeit des Betons. Dieser Stil sei für den Tüftler sehr schwierig, wegen der vielen Schrägen und Rundungen, so Gerhardt. Aber die Bauwerke beeindrucken ihn, sie seien skulptural, stadtbildprägend und unverwechselbar.
Seine Legobrücke ist in sich stabil und tragfähig, ein Meisterstück. Jetzt arbeitet er noch an der Beleuchtung des Restaurants. „Jeder, der schon einmal in Bratislava war, wird viel wiedererkennen. Zum Beispiel ist die Straßenbahn wirklich rot-weiß und auch Details der Uferbefestigung stimmen“, sagt Gerhardt. Seine nächste Herausforderung hat er bereits gefunden: ein Nachbau des „Slovensky Rozhlas“, einer kopfstehende Pyramide, Sitz von Rundfunk und TV in Bratislava. „Statisch schwierig. Ich bin auf einem Weg, der funktionieren könnte. Zwei Jahre wird es aber noch dauern“, so der Bastler, der beruflich als Grafiker arbeitet.
Angefangen hat es mit seiner Leidenschaft schon früh. Doch auch die erste herbe Enttäuschung kam schnell. „Mit fünf, sechs Jahren entdeckte ich eine Eisenbahn im Katalog, die wollte ich unbedingt haben. Sie war aber nicht mehr im Programm“, erinnert sich Roman Gerhardt. Trotzdem baute er weiter im kleinen Kinderzimmer, seine Stadt wuchs langsam in den Flur hinein. Als er in die Pubertät kam, fand Roman Gerhardt Lego zu kindisch, er verlegte sich auf Modelleisenbahnen – um das bald danach wieder aufzugeben. Häuschen zusammenkleben und Schienen verlegen waren ihm zu langweilig und zu statisch. Also ging es zurück zu den farbigen Klemmbausteinen.
Um 2005 entdeckte er den Online-Marktplatz eBay und fand dort den Zug, den er sich als kleiner Junge so gewünscht hatte. Natürlich wurde der gekauft „Damals war er noch recht günstig, heute ist er so teuer, dass man sich nur noch ein Wrack zum Wiederaufbauen leisten könnte“, so Gerhardt. Die Leidenschaft war wieder voll entfacht.
Als er in eine eigene Wohnung zog und mehr Platz hatte, konnte er sich richtig ausleben. „Ich war noch in der Ausbildung. Alles, was nicht für Miete draufging, habe ich in Lego investiert“, erzählt er. Dabei half und hilft ihm bis heute die zweite große Entdeckung im Internet: BrickLink, eine Datenbank, in der jeder Legostein, der jemals hergestellt worden ist, zu finden ist.
Zum Vormerken: Roman Gerhardt wird seine Ausstellung am Sonnabend, 18. November, in der Apotheke aufbauen. Beginnen will er gegen 13 Uhr, rund acht Stunden später soll alles stehen. Gegen 20 oder 21 Uhr lädt er dann zum Umtrunk und Quatschen ein. Zu sehen ist die Legostadt mindestens bis Februar.
Wer sich Bilder von Gerhardts Werken anschauen möchte, wird fündig unter www.instagram.com/legoburgphoto.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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