Projekt „Brücke in den Arbeitsmarkt“ hilft Geflüchteten
Der Tisch ist gedeckt, die Atmosphäre freundlich. Im Evangelischen Familienzentrum in der Götzstraße treffen sich jeden Montag Frauen aus allen Kulturen, mit und ohne Fluchthintergrund. Beim Frühstück lernen sie sich kennen. Sie tauschen sich über Probleme aus und helfen sich, während die Kinder im Nebenzimmer spielen.
Einmal monatlich findet in diesem Rahmen Gruppencoaching für die berufliche Integration statt. Das Projekt „Brücke in den Arbeitsmarkt“ vom Verein „LIFE“ startete im Juni 2017 und wird unter anderem durch die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales gefördert. Heike Röger coacht die Geflüchteten zu Themen der beruflichen Integration. Für die Frauen geht es vor allem um Kitaplätz, Schule, Ausbildung und eine berufliche Perspektive. Damit die Inhalte verstanden und reflektiert werden können, erfolgt eine simultane Übersetzung in Arabisch und bei Bedarf in Kurdisch.
Youlla Bouaita (32) kam im September 2016 nach Deutschland. Damals floh sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern vor dem Krieg in Syrien. Ihre Geschwister und ihre Mutter leben noch immer in der Heimat. In Damaskus hatten sie miterlebt, wie eine Rakete ihr Haus traf. In Deutschland sei sie zufrieden, erzählt sie, weil sie sich hier wieder sicher fühle. Nach einem Design-Studium war Bouaita in ihrer Heimat Lehrerin für Arabisch, Mathematik und Sport an einer Grundschule. In Deutschland ist ihre Qualifikation jedoch nicht ausreichend. Um in Berlin wieder als Lehrerin arbeiten zu dürfen, müsste sie durch Deutschkurse zuerst ein Sprachniveau von C2 („Kompetente Sprachverwendung“) erreichen. Das ist für die meisten Frauen jedoch kaum zu schaffen. Deshalb schaut sich Youlla Bouaita nach Alternativen um. „Ich könnte als Näherin arbeiten, in der Küche oder als Erzieherin im Kindergarten“, sagt sie.
Auch Alice Hakemian (30) hofft, schon bald eine Arbeit zu finden. Ihre Geschichte ist der von Bouaita sehr ähnlich. Hakemian arbeitete in Aleppo als Arabisch-Lehrerin. Ihr siebenjähriger Sohn konnte nachts oft nicht schlafen, weil er Angst vor den Bomben hatte, die nicht weit von ihrer Wohnung entfernt abgeworfen wurden. Im Dezember 2015 flüchtete sie nach Berlin. Mit ihrem Mann, der als Herren-Friseur in Teilzeit arbeitet, hat sie inzwischen eine Wohnung in Lichterfelde bezogen. Im vergangenen Mai brachte sie eine Tochter zur Welt, die im August in die Kita kommt. Ihr Studium der arabischen Literatur hilft ihr in Deutschland nicht weiter. Sie ist jedoch ehrgeizig und will ihre Deutschkenntnisse so weit verbessern, dass sie irgendwann hier unterrichten darf.
Kunstlehrerin Ramia Hamied (33) möchte als Erzieherin arbeiten. Auch sie hielt es in Syrien nach einem traumatischen Erlebnis nicht mehr aus. Die Explosion einer Autobombe verletzte einen ihrer Zwillingssöhne auf dem Schulweg. Heute geht es ihm wieder gut. Die Söhne und ihr Mann blieben in der Heimat. Hamied, die mit ihrer fünfjährigen Tochter bis vor Kurzem in der Notunterkunft Colditzstraße lebte, steht mit ihnen in ständigem Kontakt. Irgendwann, so die Hoffnung, werden sie wieder vereint sein.
Es sind Geschichten wie diese, die Heike Röger oft hört. Sie versucht, im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu helfen. Frauen, die aus den Kriegsgebieten nach Berlin kommen, haben in ihrer Heimat oft studiert und sind qualifiziert. Bevor sie hier jedoch eine Arbeit finden, müssen sie einen steinigen Weg zurücklegen. Auf die Frage, was sie sich von der Politik wünschen würde, hat Heike Röger daher eine klare Antwort. „In vielen Berufen, zum Beispiel Koch, sind Sprachbarrieren kein Thema – und dennoch sind die Hemmnisse für die Integration in den Arbeitsmarkt für Geflüchtete und auch Arbeitgeber noch immer hoch. Es fehlen zum Beispiel Anpassungsprogramme für Lehrer und Lehrerinnen.“
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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