Das lange Warten auf einen Termin
Trotz hohem Versorgungsgrad finden Geflüchtete oft nur schwer einen Arzt

Anfang Mai dieses Jahres lebten in den Notunterkünften auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof insgesamt 2228 Geflüchtete. Ob und inwieweit deren gesundheitliche Versorgung gesichert sei, wollten jetzt die Abgeordneten Catherina Pieroth-Manelli und Sebastian Walter, beide von den Grünen, in einer Schriftlichen Anfrage vom Berliner Senat wissen. Staatssekretär Aziz Bozkurt antwortete für die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung. Und nennt dabei Zahlen zum Versorgungsgrad von Arztgruppen in Tempelhof-Schöneberg, die alle Bewohner des Bezirks betreffen.

„Anerkannte Asylberechtigte und Geflüchtete sind leistungsberechtigt“, so Bozkurt in seiner Antwort. Je nach Status würden sie auf gesetzlicher Grundlage gesundheitlich versorgt oder seien bereits selbst Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit einer elektronischen Gesundheitskarte ausgestattet sei es laut Staatssekretär für die am Standort auf dem Tempelhofer Feld Untergebrachten stigmatisierungsfrei möglich, eine medizinische Versorgung vor allem durch Hausärzte sowie Kinder- und Jugendärzte in Tempelhof-Schöneberg und den angrenzenden Bezirken Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg zu erhalten.

Wer allerdings schon einmal versucht hat, eine neue Ärztin zu finden oder einen schnellen Arzttermin zu bekommen, den dürften diese von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin stammenden Zahlen aufhorchen lassen: „Bezüglich der Versorgungsgrade der Arztgruppen Hausärzte sowie Kinder- und Jugendärzte in Tempelhof-Schöneberg liegt keine Unterversorgung bzw. drohende Unterversorgung (…) vor. Der Versorgungsgrad bei HausärztInnen liegt bei 120,8 Prozent und bei Kinder- und JugendärztInnen bei 126,9 Prozent (Stand: 01.01.2024). Die Versorgungsgrade aller beplanten Arztgruppen liegt in Tempelhof-Schöneberg, mit Ausnahme der HNO-ÄrztInnen mit einem Versorgungsgrad von 99,5 Prozent, bei über 100 Prozent“. Und auch in den genannten Nachbarbezirken liege der Versorgungsgrad vergleichbar hoch.

Rückmeldungen von Geflüchteten, Unterkünften sowie von bezirklichen Akteuren, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Initiativen insbesondere im Umfeld von Groß-standorten wie dem Tempelhofer Feld allerdings signalisieren eine Überlastung bei der ambulanten ärztlichen Versorgung: „Auch eine zügige Vermittlung und Anbindung an Hausarztpraxen und FachärztInnen gestaltet sich nach Rückmeldung aus Unterkünften sowie von niedrigschwelligen medizinischen Ambulanzen und Beratungsstellen für Geflüchtete oftmals komplex und langwierig. Hierfür wird in vielen Fällen auch durch die Sozialdienste der Unterkünfte der Terminservice der KV Berlin verwendet, um die Geflüchteten stadtweit bei der Terminsuche zu unterstützen", teilt Bozkurt mit. Dieser sei – außer für die Akutversorgung – auf eine mehrwöchige Vermittlungsdauer ausgelegt.

Zusammengefasst heißt das: Die Gesundheitsversorgung von Geflüchteten im Bezirk ist sichergestellt, trotz eines mehr als 100-prozentigen Versorgungsgrades gibt es auch für diesen Personenkreis lange Wartezeiten. Wird sich daran etwas ändern? Auch darauf findet sich in der Antwort des Senats ein Hinweis: Eine mangelbedingte „Sonderbedarfszulassung (…) wird als wenig aussichtsreich eingeschätzt (…) Ergänzend wird auch verwiesen auf die schwierige praktische Umsetzung bei der Besetzung von freien Arztsitzen. In Berlin gibt es momentan zu wenig Ärztinnen und Ärzte, die sich auf Niederlassungsmöglichkeiten bewerben.“ Dem Zulassungsausschuss gelten übrigens bei Arztbesuchen für allgemeine Leistungen Wege in einem Umkreis von 25 Kilometern als zumutbar.

Autor:

Uwe Lemm aus Mahlsdorf

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