Begleitung bis zur letzten Stunde
Unionshilfswerk bildet Ehrenamtliche für den Hospizdienst aus

Ursula Schmidt-Kuke und Samantha möchten Menschen beistehen, die dem Tod nahe sind. | Foto:  Schilp
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Todkranken Menschen zur Seite stehen – das ist die Aufgabe der Lebens- und Sterbebegleiter des Unionshilfswerks. Kürzlich hat ein neuer Ehrenamtlichen-Kurs im St.-Josephs-Krankenhaus begonnen. Die Berliner Woche war zu Besuch.

Das heutige Thema von Dozentin Maike Nautmann ist Gesprächsführung. Sie erklärt den fünf Frauen und drei Männern, wie sie Themen finden, zuhören, Fragen stellen, die Grenzen des Gegenübers erkennen. Dass es helfen kann, einen Umweg über die Fantasie zu nehmen, um Sorgen zu begegnen. „Stellen Sie sich vor, Ihre Tochter steht im Stau und kann sich nicht von Ihnen verabschieden. Was würden Sie ihr sagen wollen? So entsteht dann vielleicht die Idee, der Tochter einen Brief zu schreiben“, nennt Nautmann ein Beispiel.

Nicht zu viele Gedanken machen

Sie selbst arbeitet ehrenamtlich im Hospizdienst und hat bereits viele Menschen begleitet. Sie rät den Ehrenamtlichen in spe, sich nicht mit zu vielen Gedanken zu plagen und einfach in die Situationen hineinzugehen. Es nicht persönlich nehmen, wenn ein Patient über ein bestimmtes Thema nicht sprechen möchte. „Oft ist wenig Platz für Abstraktes wie die Angst vorm Tod. Die Menschen leben jetzt, sie haben Schmerzen, Hunger oder sind genervt von den Pflegekräften. Sie wollen vielleicht einfach übers Wetter reden oder über den Streik bei der Bahn.“

Ganz wichtig ist ihr, der Runde Folgendes mitzugeben: „Wenn es zwischen euch und dem Patienten nicht klappt, habt ihr immer das Recht aufzuhören. Das Ganze ist ein Ehrenamt und soll euch nicht zusätzlich belasten.“ Dass es möglichst gut läuft, dafür sind Koordinatorin Rikke Voetmann-Groß und ihr Team zuständig. „Wir sind die Matchmaker und gucken, wer zu wem passen könnte. Manchmal sorgen wir für Erstaunen, weil sich die beiden auf den ersten Blick gar nicht ähnlich sind.“ Meistens funktioniert es trotzdem – oder gerade deshalb. Ein halbes Jahr dauert die kostenlose Ausbildung zum Lebens- und Sterbebegleiter. Die Treffen sind zwei- bis viermal im Monat an Freitagabenden. Einmal monatlich kommt die Gruppe einen ganzen Sonnabend lang zusammen. Unterschiedliche Themen werden behandelt, es geht unter anderem um Demenz, Umgang mit dem Rollstuhl, Geschichte des Hospizwesens, Arbeitssicherheit.

Mehr im Moment leben

Wie oft sich die Begleiter und die sterbenden Menschen sehen, vereinbaren sie selbst. „Kurz vor dem Tod kann das jeden Tag sein“, so Voetmann-Groß. Wo die Treffen stattfinden, hängt natürlich davon ab, wo die Menschen leben, im Krankenhaus, in den eigenen vier Wänden, im Pflegeheim. Müssen sie ins Hospiz, können die Ehrenamtlichen sie auch dorthin begleiten.

Warum möchte sich jemand dieser Aufgabe widmen? Studentin Samantha Mack ist mit 24 Jahren die Jüngste der Runde. In Berührung mit dem Ehrenamt ist sie über eine Tante gekommen, die ihr sehr nahe steht und als Sterbebegleiterin arbeitet. „Ich höre ganz oft die Frage: Du bist doch noch so jung, Wie kannst du das machen? Aber ich weiß, dass ich es kann. Und es ist schön, das dann auch zu machen“, sagt sie. Sie wolle einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen so sterben, wie sie es sich vorstellen. Angst oder Scheu, sich mit ihnen zu unterhalten, habe sie nicht.

Es gehe auch darum, das Thema Tod zu enttabuisieren. Dennoch stehe das Sterben für sie bei ihrer zukünftigen Arbeit nicht unbedingt im Vordergrund. „Ich will andere Werte, andere Hintergründe kennenlernen. Und ich bin sicher, dass ich etwas für mich mitnehme: mehr im Moment leben, kurz zur Ruhe kommen und merken, was wirklich wichtig ist.“ Ursula Schmidt-Kuke ist mit ihren 75 Jahren die älteste Kursteilnehmerin. Sie sieht in ihrer künftigen Arbeit etwas „absolut Neues, eine Herausforderung“. „Man muss vieles hinter sich lassen, sich auf das Gegenüber einstellen. Es wird sicher Momente geben, die ganz besonders sind und sich nicht mit anderen teilen lassen.“ Sie möchte, dass die Sterbenskranken bis zuletzt jemand Vertrauten an ihrer Seite haben. Auch die Entlastung von Angehörigen liegt ihr am Herzen. Nicht zuletzt hat sie das Interesse, sich mit dem Tod zu beschäftigen, das Thema in die Gesellschaft zu tragen und darüber zu diskutieren.

Nächste Schulung ab 26. Januar

In der eigenen Familie durfte sie positive Erfahrungen machen. Ihr Vater habe seinem Lebensende sehr gelassen entgegengeblickt. „Er hat uns die Angst vor seinem Tod genommen. Die letzten 14 Tage mit ihm zusammen waren so besonders“, sagt sie. Dafür ist sie dankbar und auch dafür, wie gut es ihr im Allgemeinen geht. Deshalb wolle sie jetzt etwas zurückgeben.

Das Unionshilfswerk sucht ständig neue Lebens- und Sterbensbegleiter. Schulungen finden nicht nur in Tempelhof, sondern auch in Reinickendorf und Friedrichshain statt. Dort, in der Richard-Sorge-Straße 20, beginnt am 26. Januar der nächste Kurs. Wer Interesse daran hat, melde sich unter Telefon 42 08 84 10 oder west@hospiz-fuer-berlin.de.

Informationen gibt es auch unter http://hospiz-fuer-berlin.de.

Ursula Schmidt-Kuke und Samantha möchten Menschen beistehen, die dem Tod nahe sind. | Foto:  Schilp
Zuhören, Interesse, Zeit geben: Das sind wichtige Elemente bei der Gesprächsführung. | Foto: Schilp
Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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