"Wir haben hier einen wahren Dschungel"
Die Kleingärtner der Kolonie "Neuköllner Berg" lieben ihre Anlage, bangen aber jedes Jahr aufs Neue um ihre Zukunft

Monika Dierenfeld auf einer Bank, die zwischen den alten Bahngleisen zum Ausruhen einlädt.
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  • Monika Dierenfeld auf einer Bank, die zwischen den alten Bahngleisen zum Ausruhen einlädt.
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Wer mit der S-Bahn von Hermannstraße nach Tempelhof fährt, kann einen Blick in die Kolonie „Neuköllner Berg“ werfen. Mit 22 Parzellen ist sie zwar recht klein, aber etwas ganz Besonders.

Ein „Eden für jeden“ nennt Monika Dierenfeld die Anlage gern, die ihrem Namen zum Trotz auf Tempelhofer Gebiet liegt. Ihre Eltern haben hier vor 45 Jahren ein Grundstück gepachtet. Vor fast drei Jahrzehnten richtete sie sich in ihrer Familie in der eigenen Laube ein. „Meine drei Töchter haben hier eine freie und wildromantische Kindheit verbracht“, sagt sie.

Tatsächlich wuchert es überall, auch zwischen den Parzellen. Mitten auf dem einzigen Weg liegt ein altes Bahnanschlussgleis, auf dem einst Züge zwischen Hermannstraße und Flughafen verkehrten. Später fuhr nur noch alle paar Monate eine Ausflugsbahn, bis vor rund 20 Jahren eine entgleiste. Es sollte die letzte gewesen sein. Seitdem haben sich Wildpflanzen, Insekten & Co. angesiedelt – ein verwunschener Anblick.

So viel Natur erwartet der Besucher nicht, immerhin ist die Stadtautobahn in unmittelbarer Nähe. „Oft sind die Bienen aber lauter als das Rauschen des Verkehrs. Hier leben Füchse, Enten, Igel, Molche, Frösche, Vögel, Eichhörnchen, Eidechsen. Und wenn es richtig grün geworden ist, haben wir einen wahren Dschungel“, schwärmt Monika Dierenfeld.

Doch es gibt eine Kehrseite der Medaille. Das Gelände untersteht der Eisenbahn-Landwirtschaft und die Pächter zittern jedes Jahr, ob ihre Verträge verlängert werden. „Wir sind keine normale Kolonie, wir sind abhängig von den Plänen auf dem Tempelhofer Feld“, so Dierenfeld. Ein persönlicher Wendepunkt kam für sie 2012. Plötzlich tauchten Menschen auf, die die Kleingärten „nur mal so“ schätzen wollten. Danach las sie in der Zeitung, dass die Laubenpieper bereit seien, freiwillig ihre Parzellen zu räumen. „Da wusste ich: Das ist der Zeitpunkt, an dem ich aktiv werden muss“, sagt Dierenfeld. Sie schloss sich der Bewegung gegen die Bebauung des Tempelhofer Felds an und kämpfte für den Volksentscheid. Inzwischen gehört sie seit rund fünf Jahren zum Team der Feldkoordinatoren, gewählten Bürgervertretern, und macht sich für Arten- und Naturschutz stark. Jedwede Bebauung lehnt sie strikt ab.

Doch es würden immer wieder seltsame Dinge in unmittelbarer Nachbarschaft passieren, erzählt sie. So existiert ein Grünstreifen zwischen der Kolonie und dem Feld, der ihres Wissens zum Bundeseisenbahnvermögen gehört. Hier gab es lange Zeit private Gärten und Hundeplätze. 2015 habe die Räumung begonnen, die letzten Pächter hätten ihre Kündigung 2018 erhalten. „Anfangs wurde haufenweise Sand abgekippt, angeblich, damit keine wertvollen Biotope entstehen. Ich habe mich beschwert, mit Erfolg.“ Was aber auf dem Grund und Boden geplant ist, sei unklar. „Nichts wird kommuniziert.“

Monika Dierenfeld hält Augen und Ohren offen. In den vergangenen Jahren ist sie zur Expertin geworden und hat haufenweise Material über den Flughafen und die Kolonie gesammelt. Und das ist interessant: Schon im Ersten Weltkrieg pachtete die Reichsbahn-Landwirtschaft für ihre Arbeiter und Angestellten am Südrand des Tempelhofer Feldes 400 Parzellen, in den 1920er-Jahren waren es rund 1000. Vielen Laubenpiepern wurde jedoch 1928 gekündigt, der Flughafen sollte gen Süden erweitert werden. Mehr als 2000 Menschen prostierten, forderten Entschädigung und Ersatzflächen. Das konnte sich Berlin nicht leisten – und baute stattdessen eine neue Betonpiste, die die Start- und Landewege der Flugzeuge verkürzten.

Als die Nazis an die Macht kamen und den Bau des Großflughafens in Angriff nahmen, wurde keinerlei Rücksicht mehr genommen. Die Kolonien verschwanden. Nach dem Krieg siedelten sich an der Ringbahn jedoch schnell wieder Kleingärtner an. Bald zog sich das Band der Parzellen am gesamten Südrand des Tempelhofer Felds entlang. Mit dem Bau der A100 im Jahr 1977 mussten erneut viele weichen. Übrig geblieben sind die Kolonie Neuköllner Berg und die direkt benachbarte Kolonie Tempelhofer Berg mit 33 Gärten.

Wer sich den Neuköllner Berg anschauen möchte, hat es nicht einfach. Seit einiger Zeit gibt es dort ein Tor, das auf Wunsch der Eisenbahn-Landwirtschaft oft geschlossen ist. Trotzdem der Hinweis: Die offizielle Adresse lautet Oderstraße 188. Von dort aus ist noch eine Strecke von einem knappen Kilometer auf größtenteils unbefestigter Piste zurückzulegen.

Genaue Beschreibung und weitere Infos: http://neukoellner-berg.bplaced.net/.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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