Das Sprachrohr nach draußen
Ein Besuch in der Berliner Verkehrsinformationszentrale
„Fast alle Verkehrsnachrichten in Berlin kommen von hier“, sagt Andreas Müer, als er im Kontrollraum steht. Der Blick aus dem Fenster bietet eine tolle Aussicht über das Tempelhofer Feld, doch den können Friedhelm Fehr (66) und Nico Beuster (37) nicht genießen. Ihre Augen sind auf elf Bildschirme gerichtet, die sich auf ihren Schreibtischen aneinanderreihen.
Fehr und Beuster sind zwei von vier Redakteuren, die in der Verkehrsinformationszentrale (VIZ) des Landes Berlin arbeiten und als Verkehrsingenieure zugleich über das nötige Know-how verfügen. Im Zwei-Schicht-System sind sie Montag bis Freitag 6 bis 20 Uhr sowie an Wochenenden, an denen Großereignisse wie die Demo am 1. Mai oder der Berlin-Marathon anstehen, vor Ort. Baustellen, Unfälle, Staus – die Mitarbeiter der VIZ wissen immer mit als Erste, was auf den Straßen der Hauptstadt passiert. Durch die Glaswand vor ihren Arbeitsplätzen können sie jederzeit auf die gigantische Videowand der Verkehrsregelungszentrale schauen, die sich eine Etage unter ihnen befindet. Dort flackern Bilder von 300 Kameras über die Monitore, die an verschiedensten Stellen der A 100 zur Verkehrsüberwachung installiert wurden. Wenn es auf der Stadtautobahn kracht, ist es hier sofort zu sehen.
Darüber hinaus verfügt die VIZ über 40 eigene Beobachtungskameras in der Stadt, zum Beispiel am Ernst-Reuter-Platz. Das Gebiet, über das die Mitarbeiter immer auf dem neuesten Stand bleiben müssen, ist riesig. So verfügt Berlin über 1600 Kilometer Hauptstraßen, 80 Kilometer Autobahn und mehr als 2000 Ampeln. Wichtige Daten liefern unter anderem gut 1000 Detektoren, die an Autobahnen und Hauptstraßen stehen. Ihre Messwerte werden mit sogenannten Floating-Car-Daten zusammengeführt, die aus GPS-Daten bewegter Fahrzeuge gewonnen werden. Stauentwicklungen lassen sich so schnell erkennen. Die Darstellung erfolgt dann auf einer dynamischen Verkehrslagekarte.
Während die Verkehrsregelungszentrale des Landes Berlin auf die aktuellen Ereignisse reagiert und steuernd eingreift, tritt die VIZ ausschließlich als Informationsgeber auf. Verkehrsrelevante Infos recherchieren und bereiten die Redakteure als Dienstleister auf. Dazu haben sie enge Kontakte zu Polizei, Feuerwehr, S-Bahn und BVG. Sie telefonieren mit Bauleitern oder Mitarbeitern der Verkehrspolizei, die direkt am Ort sind. Durch ihre jahrelange Erfahrung können sie einschätzen, wie gravierend ein Ereignis ist und ob sie gegebenenfalls eine Verkehrsmeldung veröffentlichen. Ihre Erkenntnisse können sie über 33 elektronische Infotafeln im Straßenland den Autofahrern direkt mitteilen. Außerdem werden sie auf der Homepage https://viz.berlin.de/, über Twitter (@VIZ_Berlin) und die App „BerlinMobil“ veröffentlicht und den Medien zur Verfügung gestellt. Einer, der direkt an der Quelle sitzt, ist Sven Blümel (54). Aus dem Kontrollraum moderiert er den Verkehrsservice für die Morgensendung von Radio Berlin 88,8. „Ich mache das seit 15 Jahren“, berichtet er. Blümel fährt mit dem Auto zur Arbeit und erklärt, dass nur, wer selbst regelmäßig Auto fahre, die Radiohörer auch gut über die Verkehrslage informieren könne.
Andreas Müer (52), seit 2012 Leiter der VIZ, ist sogar „fest davon überzeugt, dass Verkehrsinformation eine gute Möglichkeit ist, den Verkehr auch wirklich besser zu machen“. So sei bei geplanten Großbaustellen regelmäßig festzustellen, dass durch vorherige Informationen das oft befürchtete Chaos abgemildert werde. Trotzdem sagt er: „Ein idealer Tag wäre, wenn wir nur wenig zu tun haben, entspannt auf unsere Monitore schauen und der Verkehr flüssig läuft. Diesen Tag habe ich in sieben Jahren aber leider noch nicht erlebt.“
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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