Wo Autos zu Paketen werden
Seit 50 Jahren ist bei der Autopresse an der Gottlieb-Dunkel-Straße Endstation für Pkw
Zuerst zerspringen die Scheiben. Dann folgt ein lautes Knacken. Es dauert nur wenige Sekunden und ein Wagen, der seinem Besitzer viele Jahre Freude gemacht hat, ist nur noch ein Schrottpaket. Seit einem halben Jahrhundert werden an der Gottlieb-Dunkel-Straße Pkws „liebevoll ins Jenseits überführt“, wie es in einem alten Videoclip heißt. Klappe zu, Auto tot.
Der Inhaber und Geschäftsführer der Autopresse Tempelhof macht es selbst vor. Für die Verabredung mit der Berliner Woche hat Andreas Schmidtke (60) extra einen alten Opel Astra liegengelassen. Routiniert nimmt er hinter dem Lenker eines Gabelstaplers Platz. Im Nu hat er mit den zwei langen Zinken das Wrack aufgegabelt und fährt es durch Reihen übereinandergestapelter Karossen hinüber zur Presse. Dort hat für den Opel, dem bereits Reifen und Lampen abmontiert wurden, das letzte Stündlein geschlagen. Daneben lagern noch Dutzende weitere Wagen, denen es genauso ergehen wird. Mercedes, BMW, Skoda, VW, Mitsubishi, Audi, Honda und Renault – vertreten sind alte, teilweise aber auch noch jüngere Autos aller Marken. Jährlich sind es etwa 2000.
Im vergangenen Jahr habe es wieder mal einen Boom gegeben, berichtet Schmidtke. Grund waren die von den Autobauern gezahlten Prämien für den Neuwagenkauf. Viele Autofahrer trennten sich von ihren Dieselfahrzeugen mit der Abgasnorm Euro 4. Schon 2009, im Zuge der ersten Abwrackprämie, hatten deutlich mehr Kunden als sonst die Autopresse angesteuert. Dort müssen sie die Papiere vorlegen und Kennzeichen abgeben, bekommen dafür einen Verwertungsnachweis und können ihr Auto anschließend im Bürgeramt abmelden. „Manchmal sind schöne Autos dabei“, so Schmidtke. Er und sein siebenköpfiges Team prüfen, ob sich etwas noch für den Verkauf als Ersatzteile eignet. Außerdem werden die Wagen vor dem Pressen trockengelegt und von Schadstoffen befreit. Motoröl, Kühlwasser und alle anderen Flüssigkeiten müssen raus und landen zur umweltgerechten Entsorgung bei Kooperationsfirmen. Das gepresste Schrottpaket wiederum wird in einem Schredderbetrieb in faustgroße Stücke zerrissen und maschinell sortiert, sodass am Ende nur noch Kunststoff, Edelmetall und Blech in reiner Form übrigbleiben. 86 Prozent eines Autos können dem Experten zufolge wiederverwendet werden.
Bei seiner Arbeit wird Andreas Schmidtke, gelernter Kfz-Lackierer und seit 1985 bei der Autopresse, regelmäßig Zeuge gegensätzlicher Emotionen. Auf der einen Seite kommen bei dem einen oder anderen Kunden auch schon mal die Tränen, wenn das eigene Auto plötzlich auf dem Schrott landet. Einmal habe eine Frau bei der Verabschiedung sogar eine Blume auf die Motorhaube gelegt, erinnert er sich. Auf der anderen Seite gibt es die Aktion „Hau das Auto“, wobei Besucher Geld dafür zahlen, um einmal mit dem Hammer eine Karre nach allen Regeln der Kunst zu zertrümmern. „Das wird sehr gut angenommen“, sagt Schmidtke. Von Kindern bis zu Senioren seien schon viele gekommen, Junggesellenabschiede, einmal auch eine extra aus Schweden angereiste Gruppe. „Manche sagen einfach, mich stören alle Autos. Und dann gehen sie auf die Dinger los, dass die nicht mehr wiederzuerkennen sind.“ Beliebt sind die vielen alten Karossen auf dem Hof auch als Drehkulisse. In mehr als 100 Reportagen und Spielfilmen, darunter der Tatort und „Fack Ju Göhte 2“, tauchte die Autopresse bereits auf. Als Statist durfte Andreas Schmidtke dabei auch schon mal mit dem Gabelstapler durchs Bild fahren.
Die Ursprünge des traditionsreichen Betriebs liegen am Sieversufer in Britz. Anfangs noch ausschließlich Schrotthandel, erfolgte später die Spezialisierung auf das Autorecycling. 1969 kam der Umzug nach Tempelhof. Anlässlich des 50. Firmenjubiläums gibt es am 19. Oktober 10 bis 14 Uhr in der Gottlieb-Dunkel-Straße 41 einen Tag der offenen Tür inklusive „Hau das Auto“ und einer Vorführung der Presse. Die Erlöse werden dem Tierheim gespendet.
Autor:Philipp Hartmann aus Köpenick |
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