Neugestaltete Ausstellung über die Judenverfolgung in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand eröffnet

Johannes Tuchel in der neugestalteten Ausstellung. | Foto: KEN
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Die Dauerausstellung „Stille Helden“ ist in die Gedenkstätte Deutscher Widerstand umgezogen.

Nach Jahren in der Rosenthaler Straße in Mitte wird nun im Bendlerblock in einer grundlegend neugestalteten, viel ausführlicheren Darstellung anhand von zehn Beispielen die Geschichte jener Menschen erzählt, die während der NS-Diktatur verfolgten Juden halfen, sich zu verstecken oder mit gefälschten Papieren zu fliehen. Die Schau schildert die Zwangssituation der Verfolgten, die von Deportation und Tod bedroht werden, und den Entschluss einzelner, sich dem zu widersetzen.

Ermöglicht hat die erweiterte Dauerausstellung zum Widerstand gegen die Judenverfolgung 1933 bis 1945 die Entscheidung des Bundestagshaushaltsausschusses im November 2016, die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Damit kann mithilfe einer Fülle an Objekten, Dokumenten und Fotos anschaulich und eindrucksvoll illustriert werden, wie Rettungsversuche gelangen, aber auch scheiterten, und wie sich die Beziehungen zwischen Helfern und untergetauchten Juden gestalteten.

Unter Glas liegt ein Schlüssel. Er wäre ein ganz gewöhnlicher Türschlüssel, wäre er nicht mit so viel Symbolik aufgeladen. Er gehörte Alice Löwenthal. Es ist der Schlüssel zu ihrer Wohnung. Alice Löwenthal ist eine der Untergetauchten in Berlin. Sie trug den Schlüssel als Symbol der Hoffnung immer bei sich. Und tatsächlich konnte sie nach der Befreiung damit wieder ihre Wohnungstür aufschließen. Das Haus war unzerstört geblieben.

Ein Schaukasten weiter: das Nähkästchen von Ilse Rewald. Auch sie floh in den Untergrund. Das Nähkästchen begleitete sie. Zu dessen Inhalt gehörte zeitlebens ihr Judenstern, den sie bis zum 11. Januar 1943 tragen musste. Vor dem Nähkästchen liegt ein Stoffband. Darauf hatte Ilse Rewald ihre wichtigen Adressen während der Untergrundzeit geschrieben und in ihren Rocksaum eingenäht. Erst nach Ilse Rewalds Tod 2005 wurden die beiden Dinge entdeckt. Über weitere Einzelfälle können sich Besucher an Medientafeln informieren. Es ist auch möglich, an Terminals Biografien von mehreren Hundert Helfern und Verfolgten zu recherchieren. Die Datenbank wird laufend ergänzt.

Nach Beginn der Massendeportationen in Ghettos und Vernichtungslager im Herbst 1941 versuchten bis zu 12 000 deutsche Juden, sich der Verschleppung zu entziehen. Sie gingen in den Untergrund. Rund 20 000 Menschen halfen ihnen dabei, so die Schätzung von Johannes Tuchel. „Eine ganz kleine Minderheit“, sagt der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand und Mitkurator der Ausstellung. „In Deutschland gab es keinen großen Protest gegen die Judenverfolgung“, so Tuchel weiter. Dafür kamen die Helfer aus allen gesellschaftlichen Schichten und hatten unterschiedliche Motive. Was sie vielleicht eint, sei die „Resistenz gegen die NS-Ideologie und -Propaganda“, ergänzt der Politikwissenschaftler. Etwa 5000 im Deutschen Reich untergetauchte Juden überlebten, in Berlin waren es zwischen 1700 und 1900.

Bis voraussichtlich 2020 soll „Stille Helden“ noch einmal erweitert werden. Dafür stehen 300 Quadratmeter zusätzliche Fläche und Finanzmittel in Höhe von 3,9 Millionen Euro zur Verfügung. Es geht um die europäische Dimension des Themas, das erst seit den 90er-Jahren größere Beachtung findet, um die Darstellung von Hilfeleistungen in den deutschen besetzten Gebieten. „Die dafür notwendigen Vorbereitungen werden gemeinsam mit der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem und europäischen Partnerinstitutionen durchgeführt“, kündigt Johannes Tuchel an.

Die Gedenkstätte „Stille Helden“ in der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Stauffenbergstraße 13-14, ist montags bis mittwochs sowie freitags von 9 bis 18 Uhr, donnerstags von 9 bis 20 Uhr sowie sonnabends, sonntags und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Weitere Infos auf www.gedenkstaette-stille-helden.de.
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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