Beten darf nicht den Schulfrieden gefährden
Senatorin Katharina Günther-Wünsch verschickt Rundschreiben zur Zulässigkeit religiöser Gebete
Mit dem Nahostkonflikt und den propalästinensischen Protesten sind die Schulen vermehrt mit dem Thema religiöser Gebete konfrontiert. Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hat ein Rundschreiben an die Schulen verschickt, wie sie reagieren sollen.
An etlichen Schulen wollen mehr und mehr muslimische Schüler beten. Schulleiterin Ariane Lingnau vom Gymnasium Tiergarten hat bereits im November in einem Elternbrief darüber informiert, dass seit den Herbstferien muslimische Schüler in den Pausen beten wollen. „Dies ist auf dem Schulgelände nicht erlaubt“, stellt Lingnau im Elternbrief klar. „Wir haben in der Schülerschaft über 50 Nationalitäten und dementsprechend viele Religionszugehörigkeiten. Die Schule ist für uns alle ein neutraler Ort, an dem alle gleich behandelt werden. Deshalb gibt es weder im Gebäude noch auf dem Schulgelände einen Gebetsraum oder einen Ort, an dem Schüler:innen ihre Religion sichtbar ausüben können. Das gilt für alle Schüler:innen, egal welcher Religion sie angehören“, bittet Lingnau die Eltern, dies ihren Kindern zu erklären. Gespräche mit betroffenen Schülern „waren teilweise so respektlos, dass wir von weiteren Gesprächen abgesehen haben“, schreibt die Schulleiterin.
Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch hat den Schulen jetzt in einem Rundschreiben die geltende Rechtslage erläutert, wie sie mit der auch für Schüler grundgesetzlich geschützten Religionsfreiheit umgehen sollen. „Einem Gebetswunsch während der Unterrichtszeit wird aufgrund der Störung der organisatorischen Abläufe und der Bedeutung der Schulpflicht nicht nachgegeben“, heißt es in dem Schreiben. Es sei zumutbar, „Schülerinnen und Schüler hinsichtlich ihrer Gebetswünsche auf die Pausenzeiten zu verweisen“. Allerdings darf das Gebet nicht den Schulfrieden gefährden. „Es ist ausreichend, wenn die Verrichtung eines Gebetes objektiv geeignet erscheint, Unfrieden zu stiften“, schreiben die Senatsjuristen. „Das heißt, wenn im konkreten Fall zu befürchten steht, dass die Gebetsausübung zu Konflikten führen oder diese verschärfen kann, ist ihre Untersagung folglich zulässig“, heißt es. Die Schule muss den Schülern auch keinen Gebetsraum zur Verfügung stellen. Das rechtfertige „die begründete Befürchtung, verschiedene religiöse Gruppierungen könnten einen Gebetsraum einfordern“.
Katharina Günther-Wünsch bittet alle Schulen, bis zum 12. Januar ihre Fragen und Erfahrungen zum Thema an den Senat zu schicken. Abgefragt wird zum Bespiel, ob bereits „ein Gebetsraum oder Raum der Stille an Ihrer Schule eingerichtet“ wurde und falls ja: „Wie wurde dies realisiert und welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?“ Der Senat will sich mit dem Schreiben auch einen Überblick darüber verschaffen, an welchen Schulen es „Forderungen, Petitionen oder ähnliches nach einem Gebetsraum bzw. der Ermöglichung des Gebets während/außerhalb der Unterrichtszeiten“ gibt.
Es gibt immer wieder Konflikte rund um religiöse Gebete an öffentlichen Schulen. Meistens bekommen die Schulen das Problem ohne großen Stress in den Griff. Die Gerichte beschäftigt hatte vor über zehn Jahren der Fall eines Schülers am Diesterweg-Gymnasium in Gesundbrunnen, der einen Gebetsraum in der Schule wollte. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte 2011 zwar, dass Gebete nicht aus den Schulen verbannt werden dürften, der Schulfriede aber im Zweifelsfall wichtiger sei.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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