"Existenz infrage gestellt“
Schwules Museum fühlt sich allein gelassen
Seit Jahresbeginn häufen sich Angriffe auf das Schwule Museum. Das Team spricht daher von einem „gefährdeten Ort“ und fühlt sich von der Politik allein gelassen.
Berlin feiert sich als offene und tolerante Stadt. Hier gibt es den großen Umzug zum Cristopher Street Day, die meisten queeren Clubs – und ein Schwules Museum. Doch das sieht sich immer wieder Attacken ausgesetzt. Seit Februar dieses Jahres gab es bereits fünf Angriffe. Sogar beschossen wurde das Schwule Museum schon.
„Dazu kommt ein Grundrauschen an Gewalt"
"Diese Angriffe fordern uns heraus, sie belasten, destabilisieren und verunsichern. Sie bringen uns auch personell und finanziell an unsere Grenzen", so Jan Künemund. Der Museumssprecher zählt auf, was alles passiert ist. In der Nacht zum 24. Februar feuerten Unbekannte mehrere Schüsse aus einem Luftgewehr auf die Hausfassade ab. Der Museumsleiter erstattete Anzeige und der Polizeiliche Staatsschutz ermittelte. Täter und Motive sind bisher aber unbekannt. „Leider blieb es nicht bei diesem einen Angriff“, so Künemund. Am 19. März beschmierten Unbekannte den Eingang des Museums am hellichten Tag mit Lebensmitteln und beleidigten die Mitarbeiter. Einige Tage später wurde die Front des Museums mit einem Feuerlöscher besprüht. Und im Mai warfen Unbekannte zwei Mal Wasserbomben ins Foyer. Auch in diesen Fällen erstattete das Museum Anzeige. „Dazu kommt ein Grundrauschen an Gewalt, das, so traurig das auch ist, für uns alltäglich ist“, schreibt das Team weiter. Antiqueere Sticker vor dem Haus, rechtsradikale Aufkleber in den Toiletten, Schläge gegen die Fensterscheibe, Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen am Telefon, in den Sozialen Medien und im Gästebuch erlebt das Team fast jeden Tag – und fühlt sich von der Politik allein gelassen.
„Mit den Angriffen auf unser Haus wird unsere Existenz als selbstbewusst sichtbarer queerer Ort infrage gestellt.“ Die vom Berliner Senat geäußerten Absichtserklärungen, antiqueere Gewalt präziser zu erfassen, klarer zu benennen und das Bewusstsein in der Gesellschaft zu schärfen, begrüße das Team zwar. „Wir wünschen uns aber auch, dass die Unterstützung über die Polizei- und Aufklärungsarbeit hinausgeht. Es braucht auch finanzielle, personelle und psychologische Hilfe.“ Diese Arbeit dürfe den Angegriffenen nicht allein aufgebürdet werden. „Wir wünschen uns solidarische Unterstützung auf allen Ebenen und in allen Fällen gruppenbezogenen Hasses.“ Ob der neuerliche Appell gehört wird, bleibt abzuwarten.
Das Schwule Museum an der Lützwostraße 73 wurde 1985 gegründet und gilt heute als eines der größten LSBTIAQ-Museen der Welt. Allein die Sammlung umfasst etwa 1,5 Millionen Archivalien. Es wird vom Land Berlin gefördert und zeigt unter anderem Ausstellungen zu Geschichte, Kunst und Aktivismus der Schwulenbewegung.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.