Stadtspaziergang
Auf Entdeckungstour zwischen Spree, Schlosspark und Tiergarten

Die sanierte Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin | Foto: Bernd S. Meyer
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  • Die sanierte Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin
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Zu meiner 227. monatlichen Tour lade ich Sie an den Herbert-Lewin-Platz in Charlottenburg ein, der von kühl-modernen Bürohäusern umgeben, erst vor 20 Jahren angelegt worden ist.

Mit dieser Namensgebung wurde ein hervorragender Mediziner geehrt, der von den Nazis aus rassistischen Gründen verfolgt, deportiert und in Konzentrationslagern gefangen gehalten wurde , dort als Häftlingsarzt überlebte. Vier Jahre nach dem Krieg, September 1949, wurde ein Widerruf der Wahl Lewins zum Direktor der Städtischen Frauenklinik in Offenbach (gefordert auch von Ärzten und Schwestern dieses Klinikums) durch den OB der Stadt zum ersten antisemitischen Skandal nach Entlassung der Westzonen aus dem Besatzungsstatut. Erst weltweite Proteste zwangen damals zur „Korrektur“. Prof. Dr. Herbert Lewin (1899-1982) war in den 1960er Jahren auch Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland.

Um den Platz haben sich Selbstverwaltungsorganisationen des Gesundheitswesens und der Ärzteschaft angesiedelt. Zwei Kunstobjekte: eine Brunnen-Neuerfindung als meterbreites flaches Messingband, überzogen von einem Wasserfilm, in dem sich die umliegenden Fassaden spiegeln, erinnernd an die Folien-Technik, mit der über ein Jahrhundert massenweise analoge Foto- wie auch Röntgenfilme industriell hergestellt wurden. Dazu „Woge mit gegenläufigen Flügeln“ des Bildhauers Volkmar Haase. Eigentümer der  Metallplastik ist die am Platz ansässige Kassenärztliche Vereinigung.

Blick ins Treppenhaus Joseph-Haydn-Straße Nr. 1: Bürgerlicher Mietwohnungsbau des Jahres 1884 | Foto: Bernd S. Meyer
  • Blick ins Treppenhaus Joseph-Haydn-Straße Nr. 1: Bürgerlicher Mietwohnungsbau des Jahres 1884
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Zuhauf Geschichte trifft man dafür im näheren Umraum: So das unter drei Stadtbezirke aufgeteilte längste Baudenkmal Berlins, der über zehn Kilometer lange Stadtbahnviadukt. In wenigen Wochen begeht die Stadtbahn den 150. Jahrestag des Baubeginns, ab 1882 ging sie in Betrieb. Station Tiergarten feiert im nächsten Jahr schon den 140. Geburtstag; ist damit exakt ebenso alt und denkmalsgeschützt wie das einzige, sehr bürgerliche Mietshaus an der kurzen Joseph-Haydn-Straße nebenan. Zusammen mit Nachbarhaus Ecke Klopstockstraße ist das alles, was südlich des Stadtbahnbogens vom alten Gründerzeit-Hansaviertel zwischen Spree, Schloßpark Bellevue und dem Tiergarten übrig blieb. Im Haus lebte auch der Künstler Ben Wagin (1930-2021), über Berlin hinaus bekannt als Baumpate, Bäumepflanzer.

Wussten Sie, dass 1978 auf der anderen Seite der J.-Haydn-Straße das Gaslaternen-Freilicht-Museum, angelegt worden ist? Auf grüner Wiese, die allerdings inzwischen kaum noch beleuchtet. Zuerst war in den Fünfzigern für das berühmte neue Interbau-Hansaviertel, heute ebenfalls komplett als Denkmal ausgewiesen, hier fast komplett tabula rasa gemacht worden, das ganze Planungsareal enttrümmert und freigeräumt.

Südliche Torseite: Das Denkmal von König Friedrich 1., erster König von Preußen, Gründer der Stadt Charlottenburg und ihr erster Bürgermeister | Foto: Bernd S. Meyer
  • Südliche Torseite: Das Denkmal von König Friedrich 1., erster König von Preußen, Gründer der Stadt Charlottenburg und ihr erster Bürgermeister
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Unter Denkmalsschutz steht auch die sehr lange, überbreite „Straße des 17. Juni“ samt ihrer Speer-Laternen, die als Ost-West-Achse der Reichshauptstadt im April 1939 einweiht worden war, wie auch das damals verschobene Charlottenburger Tor, 1905-1907 aus dem vom Kaiser geförderten Wettbewerb mit skurilen Ergebnissen hervorgegangen. Auf einem Schwarz-Weiß-Foto von Mitte Juli 1945 posieren frisch eingetroffene kanadische Soldaten von der neuen Besatzung des nun Britischen Sektors Groß-Berlins vorm lädierten Tor, stehen oben klein auf dem Sockel des Denkmals Sophie Charlottes, reichen samt ihrer Barette nur an den Oberschenkel der großen Königin-Figur. Ein anderes Foto, schon dreieinhalb Monate früher aufgenommen, selten zu sehen, zeigt wenige Dutzend Meter östlich, über dem Dach des S-Bahnsteigs Tiergarten, eine polnische Fahne. Unter sowjetischem Oberkommando hatten polnische Regimenter, aus Richtung Spandau kommend, hier die letzten Kämpfe um Charlottenburg und im Tiergarten geführt.

Königin in aktueller Umgebung, Blick Richtung Norden | Foto: Bernd S. Meyer
  • Königin in aktueller Umgebung, Blick Richtung Norden
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Geblieben und in den letzten Jahrzehnten aufs Schönste restauriert und gleichzeitig modernisiert ist ganz in der Nähe der älteste und bis heute quicklebendige Produktionsbetrieb Berlins: die Königliche Porzellanmanufaktur! Vom S-Bahnhof sind es über Bachstraße nur wenige Schritte zur Wegelystraße, die sowohl im Bezirk Mitte als auch im Bezirk Charlottenburg liegt: Das KPM-Quartier: Die Straße bekam schon am 5.11.1883 ihren Namen, der vor allem an Wilhelm Caspar Wegely (1714-1764) erinnert, der mit königlichem Privileg die erste Berliner Porzellanmanufaktur 1751 in der damaligen Mitte Berlins gründete - ein Eckgrundstück an der König-, heute Rathausstraße. Als fünf Jahre später der Siebenjährige Krieg mit der Besetzung Sachsens durch die Preußen begann, erschienen plötzlich die blauen Schwerter der „Königlich-Polnischen und Kurfürstlich-Sächsischen Porzellan-Manufaktur“ auf ihren längst als „weißes Gold“ geadelten Produkten, die nun zollfrei - quasi als „Preußische“ den viel größeren Markt eroberten. Es wurde zu einer etwas verworrenen Geschichte von Kämpfen um das Porzellan und seine Macher. Wegely mußte aufgeben. Zunächst übernahm der Kaufmann Gotzkowsky die Geschäfte, baute vier Kilometer weiter westlich, an der Leipziger Straße Nr. 3 einen neuen Standort auf, bis er 1763, dem Jahr des Kriegsendes, selber in die Pleite geriet. König Friedrich II. selber kaufte ihm mit viel Geld die Manufaktur ab – übernahm sie  komplett als nun königlichen Monopolbetrieb. Doch der Name Wegely blieb im Spiel: Wilhelm Caspar hatte mit seinem Bruder Johann noch im gleichen Jahr einen Firmenvertrag geschlossen. So gründeten Caspars Söhne mit Hilfe des wohlhabenden Onkels eine neue Firma auf dessen eigenem Charlottenburger Grund, bauten sie aus und produzierten ihre weiße Ware noch jahrzehntelang. Viel später, 1867, wurde die „Königliche“ aus dichtbesiedelter Berliner Innenstadt vom Standort Leipziger Straße - heute  Sitz des Bundesrates - nochmal vier Kilometer weiter an den Nordwestrand des Tiergartens, in das Weichbild Charlottenburgs verlegt. Seit 1870 befindet sie sich, damals neu im heute noch ansehnlichen Klinker-Stil erbaut, zwischen Wegelystraße und Englischer Straße, war, damals wichtig bei ihrem großen Brennstoffbedarf, sogar mit dem Schiff zu erreichen. Seitdem hat sich bei vielerlei weiteren Wandlungen die Königliche Porzellanmanufaktur Berlin zuletzt als Privatunternehmen gehalten.

Der Stadtspaziergang startet am Sonnabend, 16. November, um 11 Uhr. Treffpunkt ist vor dem Haus Joseph-Haydn-Straße 1 nahe dem S-Bahnhof Tiergarten. 

Die Führung am 16. November ist für Leser der Berliner Woche und des Spandauer Volksblatts kostenlos. Allerdings ist eine Anmeldung erforderlich: Am Montag, 11. November, in der Zeit von 10 bis 12 Uhr anrufen unter Tel. 887 27 73 07.

Die Tour wiederhole ich am Sonnabend, 23. November, um 14 Uhr. Die Teilnahme kostet dann aber neun, ermäßigt sieben Euro. Telefonische Anmeldung dafür unter Tel. 442 32 31.

Autor:

Bernd S. Meyer aus Mitte

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